Reise zwischen den Kontinenten
Vogelzugforschung in der Reit
Jedes Jahr begeben sich mehr als die Hälfte der rund 10.000 auf der Erde lebenden Vogelarten auf Wanderungen, das sind schätzungsweise fünf Milliarden einzelne Lebewesen. Vielfach geschieht dies in großen Scharen, wie wir es von Gänsen und Kranichen kennen, oder von den meisten Menschen eher unbemerkt in der Nacht und einzeln. Zugvögel haben im Laufe der Evolution nahezu alle Gebiet unserer Erde erobert und ihre Wanderzüge umspannen praktisch die gesamte Oberfläche unseres Planeten. Dabei sind die im Lauf eines Jahres zurückgelegten Wanderstrecken - zumeist Wegzug in ein Winterquartier und Heimzug zurück ins Brutgebiet - über riesige Entfernungen keine Seltenheit. So ziehen Rauchschwalben bis zu 20.000 Kilometern mit Höchstleistungen von 250 bis 300 Kilometer pro Tag.
Ganz erstaunlich sind auch die Nonstopflug-Fähigkeiten. Sie liegen bei unseren Kleinvögeln, welche die Sahara überqueren, bei 2.000 bis 3.000 Kilometern. Meistens fliegen die Vögel dabei etwa 100 bis 2.000 Meter über dem Boden. Radarstudien in Norddeutschland ergaben beim nächtlichen Heimzug von Kleinvögeln einen Mittelwert von rund 900 Metern Flughöhe.
Verblüffend - verglichen mit den Fähigkeiten eines Menschen - sind die räumlichen und zeitlichen Orientierungsleistungen. Zugvögel finden nicht nur über Zehntausende von Kilometern punktgenau ihren Nistplatz. Ebenso zielsicher kehren sie in ihr einmal ausgesuchtes Winterquartier zurück. Und schließlich können viele Zugvögel jedes Jahr fast auf den Tag genau zur gleichen Zeit so regelmäßig irgendwo weg- oder durchziehe, dass man den Kalender danach stellen könnte.
Methoden der Vogelzugforschung
Woher wissen wir das bisher Geschilderte, wie konnte es nachgewiesen werden? Eine Reihe von Methoden hat dazu Entscheidendes beigetragen - neben der einfachen Sichtbeobachtung vor allem die Vogelberingung: Um den mit natürlichen Hornschuppen bedeckten Lauf - einem ihrer Beine - erhalten einzelne Vögel einen besonders geprägten Ring aus dauerhaftem Metall, meistens aus Aluminium. Er ist weniger als ein Prozent des Körpergewichtes leicht. Beim Wiederauffinden lassen sich damit Wanderwege der so "markierten" Vögel zurückverfolgen. Die 1898 vom Dänen Mortensen eingeführte individuelle Kennzeichnung von Vögeln hat sich zu einer der Standardmethoden der Vogelzugforschung entwickelt. Die Vogelberingung wurde ein Welterfolg - mit bisher über 200 Millionen gekennzeichneten Individuen und Millionen von Wiederfunden. Alleine die 37 nationalen Beringungszentralen in Europa markieren Jahr für Jahr ungefähr drei Millionen Vögel. Mit solchen "Volkszählungen" ist es gelungen, Umfang, Strecken, und Zeiten der Vogelzüge genauer zu erfassen.
Das seit 1973 in der REIT durchgeführte MRI-Programm ist das bekannteste langfristige und standardisierte Vogelzugforschungsprojekt im europäischen Raum. In der REIT wurden über 100.000 Vögel beringt und in den letzten Jahren arbeiteten in der Zeit von Juni bis November durchschnittlich 40 Personen im Jahr mit. Das reichhaltige Datenmaterial wurde im Wesentlichen von der Vogelwarte Radolfzell im Rahmen von Diplom- und Doktorarbeiten ausgewertet. Über das Programm gibt es knapp 40 veröffentlichte wissenschaftliche Artikel und unzählige Berichte in Zeitungen, Zeitschriften und aus dem Fernsehen. Neben dem Thema Zugvogelforschung sind dabei entscheidende Grundlagen für den Naturschutz erarbeitet worden (z.B. das Standardwerk von Bauer & Berthold - Die Brutvögel Mitteleuropas: Bestand und Gefährdung).
Erklärungsversuche für den Vogelzug
Mit den Erkenntnissen der Phänologie des Vogelzuges drängen sich nicht immer nur Fragen nach seinen "inneren" Ursachen auf. Ebenso intensiv suchen Wissenschaftler nach den biologischen Grundlagen für die nahezu unglaublichen Flugleistungen nach Steuerungssystemen, Orientierungsmechanismen und anderem mehr. Man wollte vor allem wissen wie Vogelzug im Laufe der Evolution entstanden ist. Die Vogelzugforscher sind sich heute einig darüber dass die Hauptursache für Zugbewegungen letztlich Ernäherungsbedingungen sind. Sie wirken in zweifacher Weise: Zeitweiser Nahrungsmangel - wie in unseren Breiten im Winterhalbjahr - führt zum Wegzug. Dann werden vor allem Gebiete mit zeitweilig besonders üppigem Nahrungsangebot attraktiv.
Weiterführende Infos
Seit 1973 betreibt der NABU Hamburg die Forschungsstation DIE REIT, die inmitten des gleichnamigen Naturschutzgebietes im Bezirk Bergedorf liegt. Aufgabe der Station ist die Erforschung der Vogelzuges und die Betreuung des Schutzgebietes. Mehr →
Die Vogelberingung ist eine wissenschaftliche Markierungsmethode in der Vogelzugforschung. Durch sie können populationsbiologischer Zusammenhänge besser erkannt werden. Die Beringung von Vögeln ist ein Arbeitsschwerpunkt der Vogelforschungsstation DIE REIT. Mehr →
Jeden Herbst ziehen riesige Vogelschwärme über das Land. Die einen sind gerade auf dem Weg in die südlichen Winterquartiere, die anderen kommen, um bei uns zu überwintern. Mehr →