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Mitglied werdenStudie zur Bilanz von Flussvertiefungen
Centrum für Europäische Politik (cep) hat die volkswirtschaftliche Bilanz von Flussvertiefungen analysiert und sieht keinen Nutzen




Baggerschaufel - Foto: Nichael Hirschke / Pixelio
Hamburg, 27.01.25: Die nationale Hafenpolitik muss sich grundlegend verändern – diese Forderung richten die Umweltverbände WWF, NABU und BUND an den Bund und vor allem an die Bundesländer Niedersachsen, Bremen und Hamburg. Hintergrund sind die Ergebnisse der Studie „Die volkswirtschaftliche Bilanz von Flussvertiefungen“, die die Umweltverbände beim unabhängigen Thinktank Centrum für Europäische Politik (cep) beauftragt hatten. Haupterkenntnis des Gutachtens unter Federführung von cep-Chef Henning Vöpel ist, dass sich Flussvertiefungen an Elbe oder Weser wegen des geringen volkswirtschaftlichen Nutzens bei gleichzeitig hohen ökologischen Schäden durch Ausbau und Instandhaltung von Gewässern nicht mehr rechtfertigen lassen.
Bereits in konjunkturell guten Zeiten mit positiven Trends sind dreistellige Millionenbeträge für die jährlichen Unterhaltungskosten allein an der Elbe nach Auffassung der Umweltverbände kaum zu rechtfertigen. Angesichts erheblicher geoökonomischer Verschiebungen von Lieferketten oder interkontinentaler Containerschiffrouten sowie globaler Disruption unter anderem durch Kriege können die deutschen Häfen ihr „Business-as-Usual“-Geschäftsmodell nicht weiter auf Kosten von Natur und Umwelt organisieren.
Um die Potentiale wirtschaftlicher Entwicklung am Hafenstandort Deutschland optimal und nachhaltig zu nutzen, müssen die deutschen Nordseehäfen künftig so miteinander kooperieren, dass maximale Wertschöpfung bei minimalem negativen Einfluss auf Natur und Umwelt garantiert wird.
Umweltverbände WWF, BUND und NABU
Selbstverständlich sind die deutschen Nordseehäfen für die Versorgung mit Gütern unentbehrlich. Doch die Schiffe löschen Teile ihrer Ladung in anderen Häfen, bevor sie Hamburg und Bremerhaven anlaufen. Seit Jahren und selbst mit den größten Schiffen nutzen die Linienreedereien den möglichen Tiefgang mehrheitlich nicht aus. Die stetige Baggerei erzeugt einen völlig unnötigen ökologischen Dauerschaden für die Gewässer. Durch die ausufernden Unterhaltungskosten der Elbe wird jede privatwirtschaftliche Schiffspassage, die den Tiefgang ausnutzt, quasi mit einem sechsstelligen öffentlichen Betrag subventioniert, was nicht im gesellschaftlichen Interesse ist. Nach Auffassung der Umweltverbände WWF, NABU und BUND ist ein Paradigmenwechsel bei den Prioritäten im Sinne eines Ausgleichs zwischen Ökonomie und Ökologie überfällig. Der Bund unterstützt die Seehäfen jährlich mit 38 Millionen Euro, wobei der Bedarf bei einem Zehnfachen der Summe liegt. Deswegen sollten nach Auffassung der Umweltverbände WWF, NABU und BUND die bei nachweislich überflüssiger Verkehrsinfrastruktur eingesparten Mittel besser in die die Zukunftssicherung der deutschen Hafenstandorte investiert werden.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie:
• Die Kosten der Elbvertiefung sind hoch und haben noch längst kein Ende erreicht. Für die Aufrechterhaltung entsteht auch zukünftiger permanenter Mehraufwand durch erhöhte Baggerkosten entlang der Elbe. Dem steht nach wie vor nur eine geringe Zahl an im Hamburger Hafen ein- und auslaufenden großen Containerschiffen gegenüber, die den zusätzlich geschaffenen Tiefgang tatsächlich auch nutzen. Pro Schiffspassage mit Tiefgangnutzen ergaben sich so zuletzt jährliche Mehrkosten in Millionenhöhe.
• Die allgemein schwache Dynamik des Welthandels und der Strukturtrend der geoökonomischen Fragmentierung setzt Europas etablierte Lieferketten und Geschäftsmodelle unter erheblichen Druck. Die sich abzeichnende protektionistische Agenda der USA erhöht das Risiko einer langfristigen Stagnation des internationalen Handels oder sogar einer beschleunigten De-Globalisierung.
• Technologische, geoökonomische und politische Strukturtrends setzen die Geschäftsmodelle von Seehäfen, die auf weiteres Wachstum im Containerumschlag setzen, zunehmend unter Druck. Insbesondere die deutschen Häfen der Nordrange sind gefordert, auf die neuen Anforderungen und Wettbewerbsherausforderungen mit einer Diversifizierungsstrategie und neuen kreativen Lösungen zur Sicherung ihrer Wertschöpfung zu reagieren.
• Perspektivisch führt die mehrfache Transformation der Häfen (ökologisch, digital etc.) zu einem veränderten Wettbewerb. Andere als die traditionellen Faktoren spielen zukünftig eine größere Rolle. Dieser Umstand wird in der aktuellen Hafenpolitik nach wie vor unterschätzt. Der kurzsichtige Fokus auf „Tiefere Häfen“ wird die maritimen Standorte Hamburg und Bremen/Bremerhaven nicht retten können. Andere Faktoren sind wettbewerbsbestimmend.
• Die wichtigsten deutschen Containerhäfen Hamburg und Bremen/Bremerhaven haben über die letzten Jahre Rückgänge im Umschlagvolumen verzeichnet und auch relativ gegenüber den anderen Häfen der Nordrange an Marktanteilen eingebüßt. Auch das verstärkte Anlaufen der Häfen durch besonders große Containerschiffe konnte an diesem Trend nichts ändern, da die hafenseitig möglichen Ladungskapazitäten in vielen Fällen nicht ausgeschöpft wurden. Informationen zu den angefahrenen Vorhäfen verdeutlichen, dass Hamburg und Bremen/Bremerhaven in der Verteilung von Übersee-Importen entlang der Nordrange in den seltensten Fällen die primären Löschstationen darstellten. Neben hafenbezogenen Kosten spielen dabei die natürlichen geografischen Standortnachteile gegenüber der Konkurrenz in der Nordrange eine wichtige Rolle.
• Die Prognosen zum Umschlagwachstum an den größten deutschen Containerhäfen Hamburg und Bremerhaven wurden in den letzten Jahren deutlich nach unten korrigiert. Auch die jüngsten Langfristprognosen erscheinen vor dem Hintergrund des anhaltenden Abwärtstrends und dem ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Klima mittlerweile als zu optimistisch. Für eine Rückkehr zu Positivwachstum fehlt es eindeutig an Impulsen.
• Von Fahrrinnenvertiefungen gehen vielfältige Risiken für lokale Ökosysteme aus. Neben direkten Effekten können sich aus komplexen Wechselwirkungen mit Phänomenen wie dem Tidehub und den Verlandungsprozessen schwerwiegende langfristige ökologische Schäden ergeben. Dem steht für die Zukunft kein echter zu erwartender Klimanutzen aus möglichen Verkehrsverlagerungen gegenüber. Bei dynamischer Kosten-Nutzen-Betrachtung fällt die Bilanz der Elbvertiefung daher zunehmend negativ aus.
• Neben der direkten Kosten-Nutzen-Relation müssen in der langfristigen Betrachtung die Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit von Hamburgs Wirtschaft als Ganzes berücksichtigt werden. Investitionen in die Kapazitäten des Containerhandels tragen zur Zementierung eines traditionellen Geschäftsmodells nicht nur für den Hafen, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Hamburg bei. In der gegenwärtigen Phase der beschleunigten ökologisch-digitalen Transformation haben solche Investitionen zunehmend hohe gesellschaftliche Opportunitätskosten. Sie entziehen alternativen Investitionen in die grüne Transformation der Volkswirtschaft nicht nur unmittelbar Gelder, sondern verschleppen auch die Anpassung an die parallel wirkenden Strukturtrends.
• Die einzige nachhaltige Antwort auf die anstehenden Umbrüche besteht in der konsequenten Erschließung neuer Wertschöpfungspotenziale. Die „Twin Transition“ aus Dekarbonisierung und Digitalisierung bietet den Seehäfen vielfältige Chancen, zum Ausgangspunkt für neue wettbewerbsfähige regionale Lieferketten zu werden, sowohl als Produktionsstandort als auch als Hubs für erneuerbare Energien. Um diese gezielt zu nutzen, sollten bestehende Kooperationspotenziale zwischen den Seehäfen besser genutzt werden, insbesondere in Form einer strategischen Zusammenarbeit der großen Containerhäfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Kooperation kann zu Spezialisierungsvorteilen führen, die mittelfristig allen norddeutschen Hafenstandorten zugutekommt.
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