Wiesenvögel auf dem absteigenden Ast
Bekassine in Hamburg bis zu 25 Prozent zurückgegangen / Naturschutz unterfinanziert
Die Bekassine, Vogel des Jahres 2013, ist bundesweit vom Aussterben bedroht. Wie alle Wiesenvogelarten verzeichnet sie seit Jahren alarmierende Bestandsverluste, da ihr Lebensraum, das Grünland und die Moore, dramatisch zurückgeht.
Über die Gefährdung von Wiesenvögeln und mögliche Schutzmaßnahmen berieten am vergangenen Wochenende mehr als einhundert Experten aus Naturschutzverbänden sowie des behördlichen und wissenschaftlichen Naturschutzes in Niedersachsen. „Nur wenn Naturschutz und Landwirtschaftspolitik in Deutschland besser Hand in Hand gehen, können wir die Bekassine und andere Wiesenvögel retten. Hierzu müssen wir Landes- und EU-Mittel noch gezielter einsetzen“, forderte NABU-Vizepräsident Helmut Opitz bei einem Artenschutzsymposium in Niedersachsen.
Einen der Hauptgründe für die Bestandsrückgänge der Wiesenvögel sehen die Naturschützer in der jahrzehntelangen Entwässerung von Mooren für den Torfabbau und ihre Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen. Auch der explosionsartig angestiegene Maisanbau für die Biomasse-Produktion habe zu einem massiven Rückgang der Wiesenbrüter geführt. Feuchtgrünland wurde auf ehemaligen Moorstandorten großflächig in Acker umgewandelt und damit als Lebensraum zerstört. Auf den verbliebenen Grünlandflächen ist die Bewirtschaftung deutlich intensiver als früher, vor allem die starke Entwässerung und Düngung führen dazu, dass sich die Flächen für Wiesenvögel nicht mehr zum Brüten und Rasten eignen. Auch für den Klimaschutz ist die massive Bewirtschaftung von Moorböden schädlich, da hierdurch große Mengen CO2 freigesetzt werden.
In Hamburg gibt es aktuell noch 140 Reviere (Brutvogelatlas 2012). Ende der 1960er Jahre konnte noch ein Bestand von 180 – 200 Revieren ermittelt werden. Der Bestand ist demnach in den letzten 40 Jahren um etwa 20 – 25 Prozent zurückgegangen. Der Grund hierfür liegt vor allem in dem Rückgang geeigneter Lebensräume. Für die Bekassine in Hamburg betrug dieser Verlust zwischen den Erhebungszeiträumen 1960 – 1990 und 2000 rund 50 %. Die Bekassine sowie andere Wiesenvögel sind auf freie Gebietskulissen, d.h. Flächen ohne lineare Gehölze und Baumgruppen angewiesen. Diese müssen eine Mindestgröße von etwa 100 ha aufweisen, um als geeigneter Lebensraum dienen zu können.
Dem Abwärtstrend kann nur entgegengewirkt werden, wenn auch außerhalb der Naturschutzgebiete geeignete Lebensräume erhalten bleiben und Feuchtgrünland nicht in Ackerflächen umgewandelt wird. In den Naturschutzgebieten, wie z.B. in den Kirchwerder Wiesen in Hamburg-Bergedorf, müssen nach Ansicht des NABU Hamburg die bereits bestehenden Maßnahmen zum Erhalt der freien Gebietskulissen fortgeführt und intensiviert werden. Dr. Christian Gerbich, Referent für Naturschutz beim NABU Hamburg: „Das von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt initiierte Grabenräumprogramm ist ein erster positiver Ansatz, Kernzonen des Wiesenvogelschutzes in den Kirchwerder Wiesen zu erhalten.“ Bei der momentanen finanziellen Ausstattung des Programms können jährlich etwa 20 km Grabenstrecke in Stand gehalten und von Gehölzaufwuchs befreit werden. Um der Bekassine und anderen Wiesenvögel aber optimal helfen zu können, wäre jedoch die doppelte bis dreifache Grabenstrecke notwendig. Der NABU betont, dass in Hamburg grundsätzlich die Pflege und Entwicklung der Naturschutzgebiete rundweg unterfinanziert ist. „Um ein Mindestmaß an Pflege der Schutzgebiete gewährleisten und somit einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten zu können, muss zukünftig die Hansestadt für den Naturschutz fünf Euro pro Einwohner und Jahr investieren“, fordert daher Alexander Porschke, Vorsitzender des NABU Hamburg.
Bekassine ist „Vogel des Jahres 2013“
Botschafterin für die Lebensräume Moor und Feuchtwiesen
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz (LBV), NABU-Partner in Bayern, haben die in Deutschland vom Aussterben bedrohte Bekassine (Gallinago gallinago) zum „Vogel des Jahres 2013“ gekürt. In Deutschland leben heute nur noch 5.500 bis 6.700 Brutpaare – etwa die Hälfte des Bestandes von vor 20 Jahren.
Die Bekassine soll als Botschafterin für den Erhalt von Mooren und Feuchtwiesen werben. Der taubengroße Schnepfenvogel mit dem beige-braunen Federkleid und dem markanten Schnabel wird wegen seines lautstarken Balzflugs gern „Meckervogel“ genannt.
„Die Bekassine hätte tatsächlich guten Grund, sich zu beschweren, denn mit Mooren und Feuchtwiesen schwindet ihr Lebensraum zusehends. Es wird allerhöchste Zeit, die letzten Moore in Deutschland streng zu schützen – auch im Interesse des Klimaschutzes. Gleiches gilt für Feuchtwiesen. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass der Grundwasserspiegel abgesenkt und Flächen entwässert, Grünland umgepflügt, Ackerkulturen wie Mais für Biogasanlagen großflächig angebaut, Torf abgebaut und Wiesen aufgeforstet werden“, sagte NABU-Vizepräsident Helmut Opitz.
In Hamburg kommt die Bekassine nur noch selten vor. Anzutreffen ist sie vor allem im Naturschutzgebiet Moorgürtel, den Vier-und Marschlanden und in Neuland. Weitere Bestände sind im Duvenstedter Brook, auf Pagensand und im Nienwohlder Moor nachgewiesen.
Auch in der Hansestadt leidet die Bekassine unter der Zerstörung ihres Lebensraumes, insbesondere der Umbruch von Grünland in Ackerflächen macht ihr zu schaffen. Seit 1960 musste die Art einen Arealverlust von rund 50 Prozent verkraften. Derzeit werden in Hamburg noch rund 140 Reviere für die Bekassine gezählt, wobei nicht in jedem Revier mit Bruterfolg gerechnet werden kann.
„Seltene Wiesenvögel wie die Bekassine profitieren in Hamburg von dem Vertragsnaturschutzprogramm und Renaturierungsmaßnahmen“, erklärt Dr. Christian Gerbich, Referent für Artenschutz beim NABU Hamburg. „Damit die Bekassine auch in Zukunft in Hamburg einen Lebensraum findet, muss die Politik bereit sein, Geld für den Naturschutz in die Hand zu nehmen. Nur mit den Maßnahmen des Vertragsnaturschutz es – das heißt extensive Landwirtschaft, keine Düngung, Mahd-Termine mit Rücksicht auf die Brutzeit – hat die Bekassine auch in Hamburg eine Perspektive.“
„Dass die Bekassine in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, liegt vor allem an der systematischen Zerstörung ihrer Lebensräume. Der Biotopschwund betrifft viele weitere Arten, darunter nahe Verwandte wie den Großen Brachvogel oder die Uferschnepfe. Von der Politik erwarten wir daher einen konsequenten Schutz für alle Arten der Feuchtwiesen und Moore. Wiesen und Weiden zu erhalten und wiederzuvernässen ist zudem ein sehr effizienter Beitrag zum Klimaschutz“, so LBV-Vorsitzender Ludwig Sothmann.
Heute sind 95 Prozent der heimischen Moore zerstört und 90 Prozent des Grünlandes in Deutschland intensiv bewirtschaftet. Auch die Jagd macht dem Schnepfenvogel zu schaffen. Allein in der Europäischen Union werden jährlich über ein halbe Million Bekassinen geschossen. „Mit der Jagd auf Bekassinen muss endlich Schluss sein. Die Art gehört in der gesamten Europäischen Union dringend ganzjährig unter Schutz gestellt“, fordern Opitz und Sothmann.
Hierzulande ist die Bekassine am häufigsten noch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg anzutreffen. Ursprünglich war sie in ganz Mitteleuropa vom Tiefland bis in mittlere Höhen in größerer Zahl vertreten. Seit einigen Jahrzehnten gehen die Bestände fast überall dramatisch zurück. Für Europa schwanken aktuelle Schätzungen zwischen 930.000 und 1,9 Millionen Brutpaaren. Zwei Drittel des mitteleuropäischen Bestandes von etwa 24.000 bis 45.000 Paaren leben in Polen. Die meisten in Deutschland heimischen Brutvögel sind Kurzstreckenzieher. Sie verbringen den Winter in Südfrankreich, Spanien und Portugal.
Ein zentrales Merkmal der Bekassine ist der spektakuläre Balzflug der Männchen mit einem lautstarken „wummern“, das wie Meckern klingt. Der Laut entsteht während des Sturzflugs durch den Wind, wenn der Vogel die beiden äußeren Schwanzfedern abspreizt. Die Männchen steigen auf meist 50 Meter Höhe in scharfem Zickzack steil auf, um dann jäh zur Seite abzukippen. Dieser Kunstflug ist besonders gut von März bis Mai zu beobachten. Der mit sieben Zentimetern überproportional lange und gerade Schnabel ist ihr auffälligstes Kennzeichen. Bekassinen stochern mit ihm tief im weichen Boden, um Kleintiere zu orten und zu ertasten. Neben Würmern, Schnecken und Insekten stehen auch Sämereien und Beeren auf dem Speiseplan.
NABU und LBV verfolgen seit Jahren die Strategie des Flächenkaufs für den Naturschutz und übernehmen die fachkundige Betreuung von Schutzgebieten. Dadurch konnten bereits viele Gebiete als Lebensräume für den Vogel des Jahres 2013 gerettet werden. Auch kann jeder etwas für den Moorschutz zu tun, indem er torffreie Blumenerde verwendet, so die Verbände.