NABU kritisiert geplante Änderung der Jagdverordnung
Effektive Maßnahmen zum Gänsemanagement warten dagegen auf Realisierung
19. Dezember 2013 -
Dass der Senat derzeit eine Ausdehnung der Jagdzeiten unter anderem für Grau- und Kanadagänse plant, kritisiert der NABU Hamburg. Die Brutbestände dieser beiden Vogelarten haben in Hamburg, insbesondere in den Vier- und Marschlanden, zwar stark zugenommen. Der NABU erkennt auch an, dass dies auf landwirtschaftlichen Flächen zu deutlichen Schäden führen kann. Jedoch sei die Jagd absolut wirkungslos, um die Gänsebestände und damit die Schäden in der Landwirtschaft nachhaltig einzudämmen, so der NABU. Andere, effektivere Maßnahmen gedenkt der Senat aber offenbar nicht umzusetzen, bemängelt der Verband. Der NABU lehnt daher die geplante Änderung der Jagdverordnung ab.
Um landwirtschaftliche Schäden durch Gänse zu minimieren, erarbeitete auf Initiative der Landwirtschaftskammer der Arbeitskreis Gänse unter Beteiligung des NABU und anderer Akteure ein Maßnahmenpaket zur Begrenzung der finanziellen Einbußen der Landwirtschaft sowie zur Etablierung eines nachhaltigen und ökologisch verträglichen Gänsebestands-Managements. Im Ergebnis gehören dazu die Schaffung von Ruhezonen für Gänse mit gleichzeitigem finanziellen Ausgleich der Schäden, die Bestandsregulierung der Gänsepopulation durch Rückbau der Brutinseln in den Kirchwerder Wiesen, das Aufstellen von Fuchsattrappen sowie die Änderung der Jagdverordnung. In einem vom NABU mitfinanzierten Pilotprojekt wurde dieses Konzept erfolgreich getestet. „Auf Betreiben der Landwirtschaftskammer und des Bauernverbands will die Wirtschaftsbehörde jetzt die Jagdzeiten per Verordnung ausdehnen, ohne aber die übrigen Maßnahmen des Gesamtkonzepts auf den Weg zu bringen“, ist Dr. Christian Gerbich, Naturschutzreferent des NABU Hamburg empört. „Dieses Vorgehen lässt völlig außer Acht, dass ein wirksames Gänsemanagement nur durch das Zusammenwirken aller Maßnahmen erreicht werden kann. Die geplante Änderung der Jagdverordnung ist daher aus unserer Sicht lediglich eine Beruhigungspille für die Landwirtschaftslobby.“
Vielmehr weisen ein Gutachten im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sowie Erfahrungen aus Schleswig-Holstein darauf hin, dass die Jagd als Mittel zur Bestandsregulierung unwirksam ist und die Schäden in der Landwirtschaft sogar steigern kann. „Jeder Schuss führt dazu, dass gleich alle Gänse auffliegen. Davon kriegen sie Hunger und fressen danach noch mehr als vorher“, erläutert der NABU-Experte die Zusammenhänge. „Selbst wenn ein Tier wirklich getroffen wurde, verringert sich nicht automatisch der Bestand. Denn der wird von Gänsen aus anderen Gebieten ganz schnell wieder aufgefüllt.“ Außerdem würden auch andere, z.T. gefährdete und geschützte Arten von der Jagd in Mitleidenschaft gezogen. Vor allem während des Winters kann nicht zwischen ziehenden Populationen nordischer, zum Teil gefährdeter Gänse und heimischen Beständen, die eigentlich für die Fraßschäden verantwortlich sind, unterschieden werden. Des Weiteren betont der NABU, dass bei der Gänsejagd die Erlegung von geschützten und z.T. stark bedrohten Vogelarten nicht ausgeschlossen werden kann. „Oftmals wird beim Jagen eine große Zahl von Vögeln nur verletzt“, gibt Gerbich darüber hinaus zu bedenken. „Diese Tiere sterben dann später qualvoll.“
„Offenbar fehlt es dem Senat am Willen, die übrigen Maßnahmen des Gesamtkonzepts mit der gleichen Entschlossenheit auf den Weg zu bringen, wie die Jagdverordnung“, zeigt sich Gerbich verständnislos. „Wir vermuten, dass die Wirtschaftsbehörde die Verordnung bevorzugt vorantreibt, da diese mit keinen weiteren Kosten verbunden ist.“ Bei diesen Rahmenbedingungen überwiegen nach Ansicht des NABU die gravierenden Nachteile einer Jagd. „Die Änderung der Jagdverordnung wird nicht dazu führen, die Schäden für die Landwirtschaft wirksam einzudämmen“, betont der Naturschützer. „Es handelt sich also vielmehr um ein „billiges“ Placebo ohne heilende Wirkung aber mit starken Nebenwirkungen.“ Der NABU lehnt daher die Änderung der Jagdverordnung unter diesen Voraussetzungen ab und fordert den Senat auf, das Gesamtkonzept entsprechend den Vorstellungen des Arbeitskreises Gänse umzusetzen.
Aktuelle Dokumente zur Senatsdrucksache
Jagd in Hamburg - immer noch nichts gemerkt
Jagdzeiten in Hamburg - ein Geschenk für die Jägerlobby!
(Hamburg, 2004 bis 2007) In den vergangenen Jahren änderte der Hamburger Senat mehrfach die Jagdzeiten - meist gegen den Willen des NABU und anderer Naturschutzverbände. Dabei ließ er anerkannte Instrumente des Naturschutzes, wie z. B. die Rote Liste der bedrohten Tierarten außer Acht. Immer noch ist es beispielsweise möglich, Jagd auf stark gefährdete Arten wie Rebhuhn und Waldschnepfe zu machen. Nach Ansicht des NABU ist das ein Skandal!
Die Ausweitung der Jagdzeit auf den Dachs begründete der Hamburger Landesjagdverband (LJV) mit den angeblich stark gestiegenen Dachs-Beständen. Doch blieb der LJV den Beweis für diese Aussage bis heute schuldig. Eine Bestandszählung ergab sogar eine Reduzierung der Bestände. Die Folge war eine Beibehaltung der Jagdzeit vom 16. September bis zum 31. Oktober.
Leider finden die fundierten ornithologischen Daten aus Hamburg, die mehr als 130 ehrenamtliche Vogelkundler regelmäßig sammeln, kaum Niederschlag bei den Entscheidungen für oder gegen die Jagd. Bisher hat niemand messbare Schäden durch Höckerschwan, Ringeltaube, Rabenkrähe und Elster in Hamburg nachweisen können. Es reicht die Aussage der Jäger, dass diese Arten Schaden anrichten können, als Begründung für die Bejagung aus. Eine Prüfung der wirklichen Schäden erfolgt, wenn überhaupt, höchstens durch die Bezirksjägermeister.
Jagd in Naturschutzgebieten - Wozu sind Schutzgebiete da?
Weiterhin erlaubten Hamburgs Regierende den Jagdlobbyisten die Jagd in vielen Naturschutzgebieten. Auch bei diesen Entscheidungen blieben die meisten Argumente des NABU ungehört. So darf z. B. schon im Mai im Naturschutzgebiet "Duvenstedter Brook" auf Rehe gejagt werden. Dies stellt eine klare Missachtung der Brutzeiten vieler seltener, dort lebender Arten dar: Wespenbussard, Baumfalke und Neuntöter kehren erst Ende April aus den Winterquartieren zurück und versuchen dann ein Revier zu etablieren. Viele andere Arten wie der Kranich führen zu dieser Zeit ihre Jungen.
Ähnliches gilt für andere Schutzgebiete, insbesondere für die Naturschutzgebiete "Boberger Niederung" und "Wittmoor". Die Einwände vom NABU und anderen Verbänden konnten dies nicht verhindern. Verbissschäden und vermehrte Wildunfälle wurden in Boberg als Grund für die Bejagung von Rehen genannt. Mit Zahlen oder konkreten Untersuchungen haben die Jagdbefürworter dies aber nicht belegt. Hinzu kommt, dass man eigens für die Pflege der offenen Heidegebiete eine Herde Schafe durch das Gebiet ziehen lässt, damit die aufkommenden Bäume und Sträucher verbissen werden. Der Schutzgedanke wird so ad absurdum geführt.
Im Wittmoor ist die Jagd auf Wildschweine sogar das ganze Jahr über möglich. In allen Fällen entsteht hierdurch eine erhebliche (starke) Beunruhigung der dort lebenden, oft seltenen Tierarten sowie eine Beeinträchtigung der empfindlichen Pflanzendecke während der Vegetationsperiode. Es stellt sich somit die Frage, welchen Zweck diese Schutzgebiete dann noch erfüllen können?