Weißstörche in Hamburg
Storchenmetropole in Norddeutschland
Storchenhauptstadt Hamburg
Der Weißstorch lebt in offenen Landschaften, Feuchtgrünland, Flussniederungen und -auen mit periodischen Überschwemmungen, sowie extensiv genutzten Wiesen und Weiden. Dem entsprechend ist der Storch in Hamburg vor allem in den von der Landwirtschaft geprägten Kulturlandschaften der Vier- und Marschlanden des Bezirks Bergedorf sowie mit wenigen Paaren in Harburg anzutreffen. Der Storch hat in Hamburg eine wechselvolle Geschichte. Um 1900 waren noch etwa 120 Storchenpaare zu beobachten. Das Vorkommen beschränkte sich damals nicht nur auf die Marschgebiete der Bezirke Bergedorf und Harburg. Der Storch war auch in den Feldmarken der übrigen Bezirke Hamburgs zu Hause.
Mit dem stetigen Wachstum der Stadt Hamburg ging der Storchenbestand immer weiter zurück. Mit Ende des ersten Weltkrieges war die Anzahl der Brutpaare mit etwa 70 Brutpaaren nahezu halbiert, Mitte der 40er Jahre gab es in Hamburg lediglich noch 25 Brutpaare. Die immer stärkere Inanspruchnahme von Nahrungsflächen des Storches durch Wohnbebauungen und Gewerbe in den Feldmarken führte schließlich dazu, dass der Storch als Brutvogel dort nicht mehr vorkommt. Die Intensivierung der Landwirtschaft und die damit einhergehende Trockenlegung von Moorgebieten und Feuchtwiesen taten ihr Übriges, sodass Mitte der 80er nur noch fünf Brutpaare in Hamburg registriert wurden. Kaum mehr als 10 Jungstörche verließen damals in Hamburg die Nester.
Ehrenamtlicher NABU-Einsatz für den Storchenschutz
Diese Besorgnis erregende Entwicklung veranlasste den NABU Hamburg, sich intensiv im Storchenschutz zu engagieren. Vor allem Jürgen Pelch, dem Storchenvater Hamburgs, ist es zu verdanken, dass seit mehr als vier Jahrzehnten viele Storchenmasten aufgestellt, Horste gepflegt und Bruterfolge dokumentiert wurden. Wann immer Grundstücksinhaber oder Hofbesitzer sich mit dem Gedanken tragen, die Störche mit einem eigenen künstlichen Horst auf einem mehrere Meter hohen Mast zu unterstützen, ist Jürgen Pelch verlässlicher Ansprechpartner und berät zum geeigneten Aufstellungsort, organisiert Materialien und hilft bei der praktischen Aufstellung. Das Engagement umfasst aber auch die Renovierung alter Horste, die Bergung und Versorgung verletzter Störche oder auch die Pflege verlassener oder kranker Jungstörche. Nicht zuletzt gehört zu den Aktivitäten des Storchenvaters auch die zahlenmäßige Erfassung der Brutpaare und der großgezogenen Jungstörche, so dass eine lückenlose Statistik zu den Storchenbeständen in Hamburg vorliegt. Seit 2018 unterstützt Ombeni Stickdorn-Ngonyani als Schirmherrin den NABU-Storchenschutz in Hamburg. Bei ihren öffentlichen Auftritten setzt sich die Buchautorin und Radiomoderation für die bedrohte Vogelart ein. Störche begleiten sie durch ihr Leben, in ihrer Kindheit in Tansania genauso wie in Norddeutschland.
Das Jahrzehnte andauernde Engagement zeigte Wirkung. Nach den Minusrekorden Mitte der 80iger Jahre, wurde 1993 erstmals wieder die 10er Marke der Brutpaare überschritten. Knapp 20 Jahre später waren wieder 20 Brutpaare in Hamburg ansässig. Seit 2014 pendelt der Bestand etwa um 30 Brutpaare, die zwischen 43 und 73 Jungstörche großzogen. Hamburg ist und bleibt damit die Storchenhauptstadt Deutschlands.
Hamburgs Störche haben genug Nester, aber auch genug Nahrung?
Gleichwohl es noch eine Reihe unbesetzter Storchenhorste vor allem im Bezirk Bergedorf gibt, scheint sich die Anzahl der Brutpaare, abgesehen von leichten jährlichen Schwankungen, in den letzten Jahren auf dem Niveau von ca. 30 einzupendeln. Auf der anderen Seite ist zu beobachten, dass es vermehrt zu Kämpfen um bereits besetzte Horste kommt. Obwohl es noch unbesetzte Horste gibt, machen „Spätankömmlinge“ den Störchen ihren angestammten Nistplatz streitig. Diese Nist-Kämpfe haben bereits zu Todesopfer unter den Störchen geführt und sicherlich auch alteingesessene Storchenpaare von ihren gewohnten Nestern vertrieben.
„Störche sind offenbar bereit, ein Verletzungs- oder gar Tötungsrisiko für ein geeignetes Revier einzugehen, als ein unbesetztes, ungeeigneteres Revier schadlos zu übernehmen“, erläutert Dr. Christian Gerbich, Referent für Naturschutz beim NABU Hamburg. „Da liegt der Schluss nahe, dass in Hamburg alle geeigneten Reviere inzwischen besetzt sein könnten.“ Anders gesagt, es gibt genug Horste aber zu wenig Nahrung. Ein russisches Sprichwort sagt: „Wer sich Störche hält, muss auch für Frösche sorgen.“ Für die Schutzbemühungen für den Weißstorch reicht es also nicht aus, „nur“ ausreichend Nistmöglichkeiten zu schaffen. Deshalb bemüht sich der NABU auf seinen eigenen Flächen durch entsprechende Graben- und Grünlandpflege optimale Feuchtlebensräume zu schaffen, die auch für Störche gute Nahrungsbedingungen darstellen. Die Stadt Hamburg investiert in das sogenannte Grabenräumprogramm, in den Vertragsnaturschutz und setzt Extensivierungsmaßnahmen auf Grünlandflächen als Ausgleich für Eingriffe an anderer Stelle fest. Von diesen Maßnahmen sollen Insekten und Amphibien profitieren, die ihrerseits eine wesentliche Nahrungsgrundlage für Adebar darstellen. Ob der Storch diese Maßnahmenflächen bevorzugt, ist bislang im Detail nicht untersucht worden. Aufschluss darüber soll unter anderem das neue Storchenbesenderungsprojekt des NABU Hamburg bringen, bei dem seit 2019 insgesamt 12 Weißstörche mit Sendern ausgestattet wurden. Ihre Bewegungsdaten sollen helfen, die Lebensweise der Tiere besser zu verstehen.
Der NABU Hamburg zieht jährlich Bilanz, wie erfolgreich die Brutsaison der Weißstörche in der Hansestadt verlief. Mehr →
Verfolgen Sie hier in einer Kartenansicht tagesaktuell die Flugbewegungen von sechs besenderten Störchen aus Hamburg (und Umgebung). Mehr →