Der Hamburger Hafen als Hub der Energiewende

Das Hafenareal kann einen großen Beitrag zur energetischen Transformation leisten

Der Ukraine-Krieg verändert nachhaltig die Funktion der deutschen, aber auch der europäischen Seehäfen. Die aus unterschiedlichen Quellen gespeiste „Zeitenwende“ erfordert ein fundamentales und vor allem schnelles Umdenken. Denn angesichts der geopolitischen Herausforderungen spielen Häfen plötzlich auch geostrategisch, also militärisch eine wahrnehmbar andere Rolle als bisher.

Zudem muss das Bundeswirtschaftsministerium BMWK gegenwärtig neben dem Klimaschutz die Versorgungssicherheit in das Zentrum der Wirtschaftspolitik stellen. Der NABU begrüßt, dass dabei industriell genutzte Hafenareale potentiell große Beiträge zur energetischen Transformation leisten können. Alle Abstimmungen des Bundesverkehrsministerium BMDV zur „Nationalen Hafenstrategie“ verdeutlichen, dass den deutschen Seehäfen in Bezug auf die energetische Versorgung zwei Funktionen zukommen sollen: Einerseits wird gegenwärtig bereits über Importe von fossilem Flüssiggas LNG (u. a. nach Wilhelmshaven, Stade, Brunsbüttel und zukünftig Mukran) die Versorgungssicherheit hergestellt.
Andererseits soll zukünftig ebenfalls grüner Wasserstoff (H2) und so genannte „Derivate“ wie grüner Ammoniak oder grünes Methanol importiert werden. Andererseits soll Deutschland bei der Energieversorgung hinsichtlich der Quellen (Südamerika, Afrika) von grünem H2 oder Derivaten diverser werden. In die Abhängigkeit zu einem einzigen Land- wie Russland- darf es nicht mehr kommen.
Ziel ist, die deutschen Seehäfen sowohl zu „Hubs“, zu Schnittstellen für Importe als auch Produktionsstätten für grünen Wasserstoff oder dessen Umwandlung in unterschiedliche Derivate zu entwickeln.

Der Hamburger Hafenentwicklungsplan „HEP 2040“
Hier kollidieren jedoch bereits im Stadium der Erstellung der Strategie völlig überholte Hafenentwicklungspläne (u. a. Bremen und Hamburg) oder strategische Erwägungen der Häfen mit den aktuellen neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie geopolitischen Herausforderungen. Dazu gehören unter anderem unterschiedliche Flächennutzungsbegehrlichkeiten der maritimen Wirtschaft oder der Verkehrsinfrastrukturplanung mit denen des übergeordneten Ziels eines von der Versorgungssicherheit getriebenen „überragenden öffentlichen Interesses“. So soll beispielsweise in Hamburg die über 20 Jahre alte „Hafenquerspange“, die A 26 Ost, über ein Areal (Hohe Schaar) gebaut werden, das für eine großflächige, klimaneutrale Wasserstoffwirtschaftsentwicklung nach Einschätzung von Wasserstofffachleuten unentbehrlich ist. Der Bau einer 20 Jahre alten Autobahn würde die maximale Ausschöpfung der Möglichkeiten deutlich reduzieren. Angesichts erheblicher Veränderungen der Rahmenbedingungen müssen entsprechend Hafenplanungen im Zusammenspiel dringend überprüft, ggf. sogar dann in Frage gestellt werden, wenn der Bund selbst finanziert. Ein Link zur kritischen Stellungnahme des NABU im Rahmen des HEP 2040 findet hier:

Zielkonflikte gemeinsam lösen
Der Zielkonflikt der energetischen Transformation und der Notwendigkeiten mit Blick auf die Versorgungssicherheit darf nach Auffassung der Umweltverbände nach 150 Jahren Industrialisierung und Globalisierung nicht erneut allein auf Naturflächen ausgetragen werden. Für die energetische Transformation müssen mögliche bestehende Flächen klug entwickelt und überalterte Planungen beendet werden. Der Klimawandel wird einen massiven Einfluss vor allem Deichschutz und Deichsicherheit haben. Durch weitere rechtliche ökologische Erfordernisse (FFH, WRRL, MSRL, BioDiv-Strategie) werden Hafenwirtschaft und Hafenverwaltungen zudem gezwungen, zukünftig die Geschäftsmodelle der Häfen deutlich stärker im Einklang mit Natur und Umwelt zu organisieren, als das in der Vergangenheit der Fall war. Das betrifft Fragen des Bedarfs bei der wasserseitigen Zugänglichkeit oder das zwischen Bund und Ländern nach wie vor kaum abgestimmte Sedimentmanagement.
Dass es beispielsweise im Bereich der Nordsee Bund und Länder es nach Jahren noch immer nicht geschafft haben, ein ökologisch wie ökonomisch abgestimmtes und gemeinsames Sedimentmanagement zu organisieren, zeigt auf eindrückliche Weise den Mangel an wirkungsvollem Handeln der verantwortlichen Akteure auf allen Ebenen. Steigende Sedimentmengen sind die Folge stetiger Vertiefungen im Bereich der Ästuare (Flussmündungstrichter wie an Elbe, Weser, Ems.) und Flussläufe. Dauerhafte Eingriffe führen zu erheblichen negativen Entwicklungen für die Gewässerqualität (u. a. Sauerstoffmangel, Trübung) und die Lebensräume in oder an den Gewässern (u. a. Sedimenterosionen in den Uferbereichen mit Verlust von Flachwasserzonen und Auwäldern). Sie wären in Teilen vermeidbar, würden die Hafenstandorte stärker zusammenarbeiten.
Angesichts eines Netto-Null-Ziels in 2050 ist auch der durch föderale Begehrlichkeiten ausgelöste Hang, eine von Konkurrenz getriebene Mehrfachinfrastruktur an unterschiedlichen Standorten zu ermöglichen, vor allem im Sinne der Sustainable Development Goals zu hinterfragen. Zu deren Umsetzung hat sich Deutschland völkerrechtlich verpflichtet.

Häfen durch Hafenkooperation nachhaltig entwickeln
Im Rahmen der Beteiligung an der „Nationalen Hafenstrategie“ waren die Umweltverbände WWF, NABU und BUND eingeladen, die vom BMDV versendeten Leitlinien zu kommentieren. Dabei fand der Vorschlag für einen Ansatz, die Häfen zu verantwortungsvollen ökologischen Akteuren zu machen, kaum Berücksichtigung. Aus Sicht der Umweltverbände und mit Blick auf deren gewünschte Mitarbeit an einer Neuausrichtung der nationalen Hafenpolitik, die den Hafenstandort Deutschland tatsächlich nachhaltig stärken würde, ist es jedoch unabdinglich, dass sich auch ökologische Aspekte in einer „Nationalen Hafenstrategie“ stärker wiederfinden, als dass das beim „Nationalen Hafenkonzept“ der Fall gewesen ist.
In diesem Zusammenhang ist eine ideologiefreie Diskussion über eine deutlich engere Zusammenarbeit der Verwaltungen vor allem der großen deutschen Seehäfen Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg überfällig. Doch auch in der Ostsee müssen die Aktivitäten der deutschen Häfen gut abgestimmt sein, um auch mit Blick auf Klima- und Umweltfragen vermeidbare Belastungen zu minimieren. Weil die föderalen Interessen einer nachhaltigen Hafenpolitik widerstreben, muss der Bund eine stärkere Führungsrolle übernehmen und sein finanzielles Engagement, das von den Hafenstandorten mit Verweis auf deren nationale Bedeutung eingefordert wird, deutlich stärker an Gegenleistungen knüpfen. Dass das finanzielle Engagement des Bundes für die den deutschen Seehäfen zugeschriebene Rolle (Versorgungssicherheit, energetische Transformation, Import von 90 Prozent der Waren) seit Jahren völlig unzureichend ist und die Föderalstaaten notwenige Investitionen in die Basisinfrastruktur (Kaikanten etc.) nicht selbst stemmen können, liegt auf der Hand. Dass jedoch auch Steuergelder für vermeidbare Mehrfachinfrastrukturen in die Hafenstandorte fließen, ist ebenso richtig. Das Engagement des Bundes muss deswegen darauf abzielen, unnötigen ökonomischen Ressourcenverbrauch aufgrund föderaler Ansprüche ebenso zu unterbinden, wie negative ökologische Wirkungen durch Flächenverbrauch oder inkonsistentes Sedimentmanagement.
Deswegen muss der Bund dafür Sorge tragen, dass die Schlagkraft der schwächelnden deutschen Seehäfen gegenüber den westlichen Häfen der Nordrange- vor allem Antwerpen und Rotterdam- durch eine gemeinsame Hafenstrategie gestärkt wird. Dieses Ziel, das als übergeordnetes Leitbild einen rechtlichen und formalen Rahmen schaffen müsste, ist in den Leitlinien nicht als entsprechende Idee zu erkennen, sondern taucht nur als untergeordneter Aspekt auf. Vorab muss zudem verbindlich geklärt werden, welche inhaltliche Festlegung die Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Umweltverbänden mit dem Begriff „Hafenkooperation“ verbinden. Während die föderale Position offenbar ist, dass die internationale Vermarktung der Deutschen Seehäfen unter anderem über „Hamburg Hafen Marketing“ HHM bereits eine ausreichende Kooperation sei, geht Teilen der Hafen- und Seewirtschaft sowie den Umweltverbänden diese Form der Kooperation nicht weit genug. Das Modell eines „Deutsche Bucht Hafens“ als Holding mit starker Beteiligung des Bundes, unter dessen Dach die Seehäfen der Föderalstaaten mit Blick auf die westliche Konkurrenz eine tatsächlich koordinierte und vor allem nachhaltige Hafenpolitik entwickeln, muss dringend diskutiert werden.
Denn offenbar ist, dass die deutschen Seehäfen weiterhin mehr gegen- als miteinander arbeiten und vor allem ihre individuellen Stärken entwickeln und Schwächen beseitigen möchten, statt durch einen zentralen Ansatz die Deutsche Bucht als einen bedeutenden Hafenstandort gemeinsamen zu organisieren. Ein Deutsche-Bucht-Standort könnte mit einem Umschlagsvolumen von rund 16 Millionen TEU Europas größter Seehafen sein und ein Gegenmodell zu Antwerpen-Seebrügge sowie Rotterdam bilden. Privatwirtschaftlichen Akteure als Kunden der Häfen- zu denen Terminalbetreiber ebenso zählen wie u. a. Logistiker- sehen darin nicht notwendiger Weise Nachteile. Denn starke Häfen mit heterogener Zusammensetzung können gegenüber der immer homogener werdenden Schifffahrt, bei denen wenige Reedereien den Markt dominieren und selbst eine traditionelle Arbeitsteilung durch massive Zukäufe zu verändern versuchen, besser gegenhalten.
Weil eine konsistente Hafenpolitik mit einem gesamtdeutschen Interesse bereits zuvor an den Föderalstaaten und einer mangelnden Steuerung durch den Bund gescheitert ist, fällt es schwer zu glauben, dass angesichts unterschiedlicher Ebenen und Zuständigkeiten (zu denen bei den Seehäfen auch noch die der IMO dazukommt) auch noch eine Verzahnung mit Europa organisiert werden könnte. Hafenpolitik europäisch zu denken, scheint mit Blick auf die geopolitischen Veränderungen jedoch dringend geboten.

Planungsbeschleunigung
Eine Beschleunigung der Planung und Umsetzung von Infrastrukturvorhaben in deutschen Häfen und auch anderswo scheitert gegenwärtig nicht an Klagen von Umweltverbänden, sondern vor allem an fehlendem Personal in den Planungs- und Fachbehörden. Zahlreiche Personalstellen der Länder, aber auch bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes oder beim BSH bleiben gegenwärtig unbesetzt. Insofern ist es angesichts des dauerhaften personellen Mangels notwendig, bei Vorhaben (Neubau und Erhalt) der Versorgung und des Verkehrs grundsätzlich zu priorisieren. Straßen, Bahn und Wasserstraßen sowie Leitungsinfrastruktur weiterhin parallel zu planen, wird Prozesse nicht beschleunigen. Allein die finanzielle und personelle Konzentration auf das Wesentliche kann dazu beitragen, Prozesse tatsächlich zu beschleunigen. Die Installation des (wenn auch ökologisch fragwürdigen) LNG-Terminals in Wilhelmshaven in ungekannter Geschwindigkeit zeigt, dass eine Planung zielgerichtet und aus der Not beschleunigt werden kann. Grundsätzlich bleibt Planung angesichts der beschriebenen Engpässe begrenzt und ist eben nicht beliebig skalierbar. Zudem muss- auch mit Blick auf das in Montreal vereinbarte 30-Prozent-Ziel- die Entwicklung grüner Infrastruktur als Ausgleich für den Verlust von Lebensräumen und Arten integral mitgeplant werden.