Der NABU setzt sich für den Erhalt der Artenvielfalt in Hamburg ein. Unterstützen Sie die Arbeit des NABU durch Ihre Mitgliedschaft. Die Natur sagt DANKE!
Mitglied werdenNABU nimmt „Zustand der Natur“ in Hamburg unter die Lupe
Neue Reihe startet mit Brutvögeln und Schmetterlingen
Hamburg, 3.3.2016 - Am heutigen Tag des Artenschutzes startet der NABU Hamburg mit seiner neuen Reihe „Zustand der Natur“. Dabei geht es um Bestandsaufnahmen, wie sich rückblickend innerhalb der letzten 10-15 Jahre signifikante Arten in Hamburg entwickelt haben. „Die vorhandenen Informationen zum Zustand der Natur sind in Hamburg auf viele Stellen verteilt, so dass Naturschutzprioritäten schwer zu bestimmen sind. Der NABU will nun aufzeigen, welche Arten unseren besonderen Schutz brauchen, damit sie nicht einfach unbemerkt verschwinden. Durch gezielte Maßnahmen ist es nämlich möglich, Arten wirksam zu stützen und zu schützen. Auch das zeigen die Daten.“, betont Alexander Porschke, 1. Vorsitzender des NABU-Hamburg. Zum Auftakt der Reihe „Zustand der Natur“ stellt der NABU die Entwicklung der Brutvögel und Schmetterlinge in den Fokus.
Brutvögel
Alexander Mitschke, Ornithologe und Mitglied des "Arbeitskreises Vogelschutzwarte Hamburg" hat die Brutbestände der Vogelarten in Hamburg innerhalb der letzten 15 Jahre genauer unter die Lupe genommen. Dabei wurde deutlich, dass bei den Bodenbrüter auf Acker- und Wiesenflächen die höchsten Bestandsrückgänge - von 50% und mehr - zu verzeichnen sind. Auch ehemals in Hamburg weit verbreitete Vogelarten sind davon betroffen: darunter der Kiebitz und die Feldlerche. „Unsere besonderen Sorgenkinder sind die Kiebitze. Innerhalb weniger Jahre existieren von 650 Brutpaaren nur noch 310 Paare. Und sogar der Bestand der Feldlerche, die in ihrer Lebensraumwahl vergleichsweise wenig anspruchsvoll ist, ist seit dem Jahr 2000 von 1.300 Paaren auf 800 Paare zurückgegangen - ein Verlust von 40%“ , verdeutlicht Mitschke den Zustand der Natur mit Blick auf die Brutvögel.
Somit zählen gerade der Kiebitz und die Feldlerche zu den bedrohten Arten unter den Brutvögeln. Der kleine Hoffnungsschimmer: Den Wiesenvögeln in Hamburg geht es im deutschlandweiten Vergleich noch etwas besser. Insbesondere in den Naturschutzgebieten sowie im Feuchtgrünland, wo in den letzten Jahren konzentriert Maßnahmen stattgefunden haben, haben sich die Bedingungen für die Bodenbrüter verbessert. Vor allem in der reich strukturierten und oft nur extensiv landwirtschaftlich genutzten Landschaft des Elbtals sind gute Entwicklungen festzustellen. Es zeigt sich, dass sich gerade im Randbereich einer Großstadt wie Hamburg Schutzmaßnahmen lohnen.
Tagfalter
Der Biologe Frank Röbbelen hat für die aktuelle Zustandsbetrachtung beispielhaft die ökologisch anspruchsvolle Insektengruppe der Tagfalter analysiert. Für Hamburg musste er einen sehr starken Bestandsrückgang feststellen, mit fortschreitender Tendenz. „Noch Ende der 1990er Jahre war der Nierenfleck-Zipfelfalter in Hamburg weit verbreitet. Heute müssen wir lange suchen bis wir seine Eier in den Schlehenhecken finden. Noch größer sind die Bestandsverluste beim Braunfleckigen Perlmutterfalter. Hier gibt es einen Rückgang von fünf Vorkommen auf nur noch eine Population in den Volksdorfer Teichwiesen“, erläutert Röbbelen das Monitoring der letzten Jahre. Etwa die Hälfte der Schmetterlingsarten (Tagfalter), die in den letzten 120 Jahren in Hamburg lebten und sich fortpflanzten, ist mittlerweile ausgestorben – dazu zählen der Wachtelweizen-Scheckenfalter und die Rostbinde.
Die Datenlage in Deutschland für Insekten ist noch recht dürftig, obwohl es für Tagfalter ein deutschlandweites Monitoring gibt (Tagfalter Monitoring Deutschland). In Hamburg soll ein systematisches Monitoring einiger Gruppen, unter anderem von Tagfaltern Tagfalter, in diesem Jahr eingeführt werden. In Nordrhein-Westfalen hat der NABU bereits einen Rückgang der Biomasse an Fluginsekten um bis zu 80 Prozent in den vergangenen 15 Jahren gemeldet. Ähnliche alarmierende Ergebnisse ergaben europaweite Untersu-chungen. „Wir stehen vor einem neuartigen Insektensterben mit bislang un-bekannten Folgen in Deutschland. Tagfalter sind als ökologisch sehr sensible Arten hervorragende Indikatoren für den Zustand der biologischen Vielfalt und müssen bei Naturschutzmaßnahmen stärker berücksichtigt werden“, fordert Röbbelen.
Hintergrund: Artenschutz in Deutschland und Europa
In Europa befinden sich laut „The european environment state and outlook 2015“ 60 % der geschützten Arten und 77 % der geschützten Habitate in einem ungünstigen Zustand. Schmetterlinge und Vögel haben seit 1970 in unterschiedlichen Lebensräumen in Europa in ihren Beständen zwischen 2 und 37 % abgenommen. Ähnliche Trends sind zwischen 1990 und 2000 bei den entsprechenden Lebensräumen, insbesondere bei Heide- und Moorlandschaften, zu beobachten. Europa wird sein schon bis 2010 gestecktes Ziel, das Artensterben zu stoppen, auch bis 2020 nicht erreichen können.
In Deutschland sind Tiere, Pflanzen und Pilze zu rund 30 % als bestandsgefährdet und weitere 6 % als ausgestorben eingestuft. Ebenso sind mehr als ein Drittel aller Wirbeltiere im Bestand gefährdet oder ausgestorben. Dabei zählen die Kriechtiere zu den am stärksten gefährdeten Tiergruppen. Fast jede dritte Brutvogelart erlitt in den letzten 25 Jahren Bestandsrückgänge, die häufigen Arten sogar zu 50 %. Die Situation der Wirbellosen hat sich seit 1998 signifikant verschlechtert: Derzeit stehen 45,8 % der Arten in der Roten Liste als bestandsgefährdet, extrem selten, bereits ausgestorben oder verschollen - einige bisher nur wenig im Fokus stehende Insektengruppen sogar zu 60 %. Die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützten Arten befinden sich in Deutschland zu 65 % in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand. Doch nicht nur der Gefährdungsgrad einzelner Arten ist besorgniserregend, sondern vor allem auch die starke Abnahme der Zahlen der Individuen sowie die Verkleinerung von Lebensräumen. Die Datenlage in Deutschland für Insekten ist noch recht dürftig, obwohl es für Tagfalter ein deutschlandweites Monitoring gibt (Tagfalter Monitoring Deutschland).
In Hamburg soll ein systematisches Monitoring einiger Gruppen, unter anderem von Tagfaltern Tagfalter, in diesem Jahr eingeführt werden. In Nordrhein-Westfalen hat der NABU bereits einen Rückgang der Biomasse an Fluginsekten um bis zu 80 Prozent in den vergangenen 15 Jahren gemeldet. Ähnliche alarmierende Ergebnisse ergaben europaweite Untersuchungen. „Wir stehen vor einem neuartigen Insektensterben mit bislang unbekannten Folgen in Deutschland. Tagfalter sind als ökologisch sehr sensible Arten hervorragende Indikatoren für den Zustand der biologischen Vielfalt und müssen bei Naturschutzmaßnahmen stärker berücksichtigt werden“, fordert Röbbelen.
Die Auswertungen zum „Zustand der Natur in Hamburg“ stammen von:
Alexander Mitschke, Ornithologe und Mitglied des "Arbeitskreises Vogelschutzwarte Hamburg" zu den Beständen von Brutvögel in Hamburg. Mitschke ist Autor des Brutvogel-Atlas Hamburg und des Atlas Deutscher Brutvogelarten.
Frank Röbbelen, Biologe, konzentriert seine Forschungsarbeit seit über 25 Jahren auf Insekten und hat für Hamburg die Roten Listen für Tagfalter, Libellen und Heuschrecken erstellt.