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BUND, NABU und WWF fordern mehr Einsatz für eine lebendige Tideelbe


26. März 2013 -
Anlässlich des ersten Geburtstages des Integrierten Bewirtschaftungsplans (IBP) für die Elbe zwischen Geesthacht und Cuxhaven fordert jetzt das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ aus BUND, NABU und WWF von den Verantwortlichen, dass die Umsetzung des von allen Beteiligten vereinbarten IBP zum Wohle der Natur an und in der Tideelbe beschleunigt wird. Dabei solle auch die Öffentlichkeit beteiligt werden. Um die Ziele des IBP zu erreichen, müsse Hamburg endlich die grundsätzlichen Probleme der Elbe anpacken, statt sich nur auf die kleinen Mosaikteilchen der ökologischen Verbesserung zu konzentrieren, so das Aktionsbündnis.
Vor einem Jahr präsentierten Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg zusammen mit der Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes und der Hamburg Port Authority den IBP. Bei der Nutzung der Tideelbe sollen demnach ab sofort die Belange der Lebensgemeinschaften stets berücksichtigt werden. Der IBP benennt zahlreiche Maßnahmen, die eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe sicherstellen sollen. Mittlerweile wurden erste Maßnahmen, wie beispielsweise eine Abflachung von Uferdeckwerk am Twielenflether Sand, durchgeführt.
„Viele der im IBP festgelegten Maßnahmen werden seit Jahren im Zuge laufender Pfle-ge- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt. Wir fordern jetzt eine ausreichende finanzielle Ausstattung des IBP in den Haushaltsplänen der beteiligten Länder, mit einem überschaubaren Zeithorizont von z. B. 10 Jahren", erklärt Hermann Schultz, Vorsitzender des NABU Schleswig-Holstein. Bleibe man bei dem jetzigen Tempo der Planumsetzung würde eine Verbesserung der bedrohten Lebensräume mit den laufenden Verlusten nicht Schritt halten. Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg sagt: „Die Umgestaltung des Ufers am Twielenflether Sand ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn man aber sieht, wie schnell und in welcher Ausdehnung fortwährend die besonders wertvollen Flachwasserbereiche und Nebenelben verschlicken und verloren gehen, weiß man, wie viel wichtiger es ist, sich mit der Hydromorphologie der Elbe auseinander zu setzen.“
Dass die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) jetzt im Auftrag der Arbeitsgemein-schaft Elbeästuar, die für die Umsetzung der IBP-Maßnahmen zuständig ist, eine Sys-temstudie zur Unterhaltung der Fahrrinne erstellt, begrüßen die Partner des Aktions-bündnisses. Erst mittels einer solchen Studie lassen sich vertiefende Fragen zum Sedi-menthaushalt, zur Strömung und zum so genannten Tidalpumping-Effekt näher betrachten. BUND, NABU und WWF kritisieren aber, dass eine solche Studie nicht schon vor dem Planungsverfahren zur erneuten Vertiefung durchgeführt wurde. An der Hahnhöfer Nebenelbe und dem Mühlenberger Loch kann man zusehen, wie vermehrte Sedimentation infolge der Elbvertiefung im Jahr 1999 Flachwasserbereiche verschwinden lässt. „Wie bedeutend sind aber 30 Hektar neugewonnenes Flachwassergebiet in Kreetsand, wenn andernorts über viele Kilometer Nebenelben verschlicken und in bedrohlichem Ausmaß ökologisch wertvolle Flachwasserbereiche verschwinden“, fragt Beatrice Claus vom WWF.
Hintergrund: Die Tideelbe
Einzigartiger Naturraum und Milliarden bewegende Verkehrsader
Flut und Ebbe prägen den Flussmündungsraum der Tideelbe. Vom Wehr Geesthacht bis zur Seegrenze in Cuxhaven sind es gute 140 Kilometer Flussstrecke, die der Tide unterliegen und entlang derer sich eine einzigartige Naturlandschaft ausgeprägt hat. Das Flussmündungsgebiet mit seinen großen Flachwasserzonen, Wattflächen und Auwäldern ist ein hoch produktives Ökosystem mit überregionaler Bedeutung als Brutstube für Fische und Nahrungsplatz für Zugvögel. Die Süßwasserwatten und Tideauwälder zwischen Glückstadt und Geesthacht sind eine europäische Besonderheit. Die große Bedeutung des Ästuars (= Flussmündungsgebiet) wird auch durch die weiträumige Ausweisung als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet unterstrichen; zahlreiche Naturschutzgebiete liegen entlang der Tideelbe. Dennoch ist der einmalige Naturraum weiterhin vor allem durch den Ausbau der Tideelbe als Schifffahrtsstraße bedroht.
Vom ehemals weitläufigen Flussmündungsraum ist nach der Landnahme, den Hochwasserschutz- und Strombaumaßnahmen der vergangenen 150 Jahre kaum noch etwas übrig geblieben. Nach und nach wurden die Deiche immer näher an den Strom herangebaut, ehemalige Vorländer abgedeicht, Nebenflüsse vom Tidegeschehen abgesperrt. 70 % der Deichvorländer des Tideelbegebiets gingen so in den letzten 100 Jahren verloren. Um immer größeren Containerschiffen den Zugang zum Hamburger Hafen zu ermöglichen, wurde die Fahrrinne der Elbe von ursprünglich etwa 5 Meter bis heute auf über 15 Meter vertieft.
Diese Eingriffe führten nicht nur zu einer weitgehenden Zerstörung der Natur im Tideelberaum, sie belasten inzwischen auch enorm die öffentlichen Haushalte. Einerseits sind die tiefe Fahrrinne und die zu kleinen Deichvorländer Ursache dafür, dass die Hochwässer immer höher auflaufen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels sowie einer geologisch bedingten Absenkung des norddeutschen Flachlandes bedeutet dies eine Verschärfung der Hochwassergefahr für den Tideelberaum. Im Sinne des traditionellen Hochwasserschutz muss dem mit milliardenschweren Investitionsprogrammen für den weiteren Ausbau der Deiche begegnet werden.
Andererseits kam es durch die Strombaumaßnahmen zu massiven Veränderungen des Sedimenthaushalts der Tideelbe - Flachwasserzonen und Sportboothäfen verlanden, die Fahrrinne der Elbe muss fortwährend ausgebaggert werden. Das ist nicht nur teuer, es bedroht auch direkt die verbliebenen Reste der Flachwasserzonen und Tideauwälder. Vor dem Hintergrund der nächsten Elbvertiefung wird dieser Aspekt gerne verschwiegen. Eine Studie des WWF belegt jedoch eindeutig die negativen Auswirkungen der letzten Elbvertiefung auf den Sedimenttransport. Auch der von Hamburg initiierte Elbefonds, mit dem Sportboothäfen ausgebaggert und erhalten werden sollen, ist ein klares Eingeständnis, dass erkannt wird, dass die Flachwasserbereiche immer schneller verlanden.
Aus der Entwicklung der letzten Jahrzehnte wird somit überdeutlich, dass es zu einem Umdenken bei weiteren Strombaumaßnahmen kommen muss. Rückdeichungen - wie zum Beispiel im Projekt Borghorster Elbwiesen - müssen in Angriff genommen und umgesetzt werden, wo immer das möglich ist. Einzelinteressen müssen hier dem Wohl der Allgemeinheit untergeordnet werden, wobei den Betroffenen natürlich ein fairer Ausgleich anzubieten ist.
Das Tideelbe-Konzept der Hamburg Port Authority zeigt, dass die Strom- und Hafenbauer die Probleme erkannt haben. Erfreulich ist auch, dass dort ein Umdenken zu mehr Deichvorland und Natur entlang der Tideelbe eingesetzt hat. Solange die Planer jedoch die negativen Auswirkungen der letzten Elbvertiefung nicht in den Griff bekommen haben, muss eine weitere Vertiefung der Elb-Fahrrinne deshalb als das benannt werden, was sie ist: Eine ökologische Katastrophe und die milliardenschwere Subvention der Hafenwirtschaft durch Steuergelder.