Der naturnahe Garten
Lebensraum für Tiere und Pflanzen
Wer träumt nicht von einem Häuschen im Grünen mit einem schönen Garten? Ein Garten kann beziehungsweise soll vielfältigste Funktionen und Ansprüche erfüllen: Er ist Lebens- und Erlebnisraum für den Menschen, Abenteuerspielplatz für Kinder, er bietet Entspannung und Geborgenheit, birgt Geheimnisse, ermöglicht direktes Naturerleben, erfreut uns mit Düften, Formen und Farben, versorgt uns mit Obst und Gemüse - kurzum, im Garten will und soll man sich rundum wohlfühlen können. Die Gestaltung der einzelnen Gärten ist dabei so unterschiedlich und individuell wie ihre Besitzer, ist Ausdruck von deren Phantasie und Kreativität. - oder vielleicht doch nicht? Zweifel sind angebracht, denn tatsächlich sehen landauf, landab von Flensburg bis Füssen die meisten Gärten irgendwie ähnlich aus, als ob es dafür eine DIN-Norm gäbe...
Kurzgeschorener Rasen und exotische Gehölze beherrschen allerorten das Bild. "Herkömmliche" Gärten mit Krüppelkiefern, Zuckerhutfichten und Lebensbaumreihen wirken das ganze Jahr über gleich grün, gleich leblos, gleich langweilig, beliebig, austauschbar. Aus Sicht der heimischen Tier- und Pflanzenwelt sind sie gar als ökologische Wüsten zu bezeichnen.
Der Garten als Lebensraum
Wie jedes Lebewesen braucht auch der Mensch einen "artgerechten" Lebens- und Rückzugsraum in einer zunehmend technisierten und stressauslösenden Umwelt. Naturnah gestaltete Gärten können alle die oben genannten Ansprüche erfüllen und sind für heimische Tiere und Pflanzen, aber auch für den modernen Menschen zweifellos ein Lebensraum, der diesen Namen auch tatsächlich verdient.
Gaukelnde Schmetterlinge über duftenden Blumenwiesen, zirpende Heuschrecken, blühende Obstbäume - nur noch Erinnerung an die Kindheit? Nicht unbedingt: Es liegt allein an uns, diese Welt wenigstens wieder ein Stück weit wieder in unsere Umgebung, in unsere Gärten zu holen.
Was hindert uns daran, wenigstens in unserem unmittelbaren Wohnumfeld im Einklang mit der Natur zu leben? Naturnahe Gärten sind nicht nur ein Refugium für den Menschen, sondern auch für viele wildlebenden Tiere und Pflanzen. Sie stellen häufig geradezu ein Dorado für die heimische Flora und Fauna dar. Ausgesprochene Raritäten sind zwar in der Regel nicht darunter, weil diese ganz spezielle Ansprüche an ihren Lebensraum stellen, aber allein die nachfolgenden Zahlen belegen die enorme Bedeutung naturnaher Gärten als Lebensraum: Insgesamt wurden hier bislang 2500 Tierarten nachgewiesen, darunter allein 650 Schmetterlings- und 100 Vogelarten. Schätzungen gehen sogar von einer Anzahl von 10.000 Arten aus - das entspricht einem knappen Viertel aller in Deutschland beheimateten Tierarten. Dazu kommen noch rund 1000 heimische Wildpflanzen, die in unseren Gärten gedeihen (könnten).
Was ist ein naturnaher Garten?
In Deutschland gibt es rund 17 Millionen Gärten. Angesichts dieser Zahl und vor dem Hintergrund fortschreitender Zerstörung intakter Lebensräume in der freien Landschaft wird die enorme Bedeutung naturnah gestalteter Gärten offensichtlich.
Was ist ein naturnaher Garten, und wie legt man ihn an? Zunächst einmal: den naturnahen Garten gibt es nicht, demzufolge auch keine Patentrezepte. "Naturnah" bedeutet Gestaltung und Pflege des Gartens mit der Natur und den ihr eigenen Gesetzen und nicht gegen sie. Keineswegs ist damit aber gemeint, alles wild durcheinander wuchern zu lassen. Man gibt jedoch der Natur Raum zur Entwicklung, ohne dabei auf ggf. notwendige lenkende Eingriffe zu verzichten. Diese Pflegemaßnahmen dürfen jedoch nicht nach "Schema F" ablaufen, sondern müssen sich am individuellen Charakter des jeweiligen Gartens und seiner natürlichen Umgebung orientieren. Ein naturnaher Garten ist daher beileibe kein Zeichen für die Faulheit seines/r Besitzer/in, wohl aber sichtbarer Beweis eines ausgeprägten Umweltbewusstseins und einer entsprechenden Denkweise.
Heimische Sträucher sind wichtige Futterquellen für Vögel und Insekten
Ganz wesentlich ist dabei die (überwiegende) Verwendung heimischer, standortgerechter Pflanzen. Letzteres ist ganz besonders wichtig, denn Pflanzen, die am falschen Standort wachsen (müssen) - also etwa feuchtigkeitsliebende Arten auf trockenen Sandböden -, sind anfällig gegen Krankheiten und Parasiten. Dies gilt für heimische Gewächse und "Exoten" gleichermaßen. Da viele nichtheimische Arten an die hiesigen Bedingungen nur unzureichend angepasst sind, sind sie in der Regel ohnehin empfindlicher als heimische Arten. Nicht selten wird dann in Verkennung der eigentlichen Ursachen zur chemischen Keule gegriffen - ein ebenso schädlicher wie vermeidbarer Eingriff, der auch für den Menschen nicht ungefährlich ist.
Ein weiter wesentlicher Punkt kommt hinzu: Pflanzen stehen ja nicht einfach so in der Gegend herum, sondern sind Teil ihrer jeweiligen Lebensgemeinschaften. Im Laufe einer langen gemeinsamen Entwicklung haben sich Pflanzen und Tiere aneinander angepasst. Insbesondere Insekten haben sich auf bestimmte Nahrungspflanzen spezialisiert, ohne die sie nicht existieren können, und die Pflanzen ihrerseits haben Strategien entwickelt, mit dem Fraßdruck bestmöglich fertig zu werden. Mit einer einzigen heimischen Pflanzenart, die aus unseren Gärten verschwindet, verschwinden also auch immer eine Reihe davon abhängiger Tierarten. Allein an und von der bei Gärtnern als hartnäckiges "Unkraut" gefürchteten Quecke leben nicht weniger als 81 Tierarten. Andererseits können sich nichtheimische Pflanzen oder Zuchtformen vielfach nicht in hiesige Lebensgemeinschaften einfügen und bieten heimischen Tieren kein Nahrungsangebot.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der nicht heimische Sommerflieder oder Schmetterlingsstrauch - für erwachsene Falter wie den Kleinen Fuchs eine sehr begehrte Nektarquelle, als Raupenfutterpflanze jedoch völlig wertlos. Als Nahrungspflanze für die Raupen des Kleinen Fuchses und weiterer attraktiver Arten wie Tagpfauenauge, Landkärtchen und Admiral lebensnotwendig ist hingegen die bei vielen Menschen unbeliebte Brennnessel. Ohne Brennnesseln also keine Falter - ohne Brennnesseln aber auch keine Vögel, die von den Raupen leben. Die vorstehenden Ausführungen sollen nun nicht bedeuten, dass man seinen Garten unkontrolliert mit Quecken, Giersch und Brennnesseln überwuchern lässt, aber man sollte auch sogenannte Unkräuter in einigen Ecken dulden - der Artenvielfalt und damit nicht zuletzt auch uns selbst zuliebe.
Auch nachfolgende Aufstellung zeigt den unterschiedlichen Wert heimischer bzw. nichtheimischer Gewächse anhand ihrer Nutzung durch fruchtfressende Vögel:
Der Wert heimischer und verwandter nichtheimischer fruchttragender Gehölze als Futterquelle für Vögel im Vergleich (aus Witt 1995, verändert):
Art | heimisch | Anzahl Vogelarten |
---|---|---|
Eingriffeliger Weißdorn | ja | 32 | Scharlachdorn | nein | 2 | Gemeiner Wacholder | ja | 43 | Chinesischer Wacholder | nein | 1 | Gemeine Berberitze | ja | 19 | Thunbergs Berberitze | nein | 7 |
Ziel: Förderung der Artenvielfalt
Ziel einer naturnahen Gartengestaltung sollte die Förderung einer möglichst hohen Artenvielfalt sein. Je größer die Artenvielfalt, desto geringer die Gefahr, dass sich bestimmte Arten, die wir Menschen als lästig oder gar schädlich erachten, massenhaft vermehren (und die erst dann zu Schädlingen werden). In einem naturnahen Garten sind immer auch genügend natürliche Gegenspieler vorhanden, die unerwünschte Tiere dezimieren, so dass man auf die chemische Keule getrost verzichten kann. Marienkäfer und Florfliegenlarven beispielsweise haben Riesenappetit auf Blattläuse, Vögel und Schlupfwespen halten gefräßige Raupen in Schach, und Igel und Kröten tun sich an Nacktschnecken gütlich. Man kann übrigens bestimmte Nützlinge inzwischen im Fachhandel bestellen und ganz gezielt im Garten einsetzen. In der Regel bietet aber ein möglichst großer Strukturreichtum und die überwiegende Verwendung heimischer Pflanzen im Garten die beste Gewähr für eine hohe Artenvielfalt und damit für ein ausgewogenes ökologisches Gleichgewicht.
Nach dem Vorbild der Natur lassen sich Ausschnitte aus verschiedenen Lebensräumen (Hecke, Teich, Wiese) gezielt gestalten. Vor allem in kleineren Gärten kann es jedoch selbstverständlich nicht darum gehen, ein möglichst vollständiges Sortiment verschiedener Biotope zu "bauen". Aber schon allein die Anlage bzw. Duldung von Kleinstrukturen wie morsche Baumstubben, Stein- und Reisighaufen, ungemähte Randstreifen etc. kann erstaunlich viel bewirken. Sie sind Lebensraum und Unterschlupf für eine Vielzahl von Tieren, unter ihnen Rotkehlchen und Zaunkönig, Igel und Wiesel, Lurche und Eidechsen sowie eine Vielzahl von Insekten.
Auch Laub sollte unter Gehölzen unbedingt liegen bleiben, schützt es doch den Boden vor Austrocknung, führt ihm Nährstoffe zu und beherbergt viele Kleintiere. Dazu ist es unumgänglich, sich von überzogenen Ordnungsvorstellungen, die im häuslichen Bereich angebracht sein mögen, zu lösen. Der Garten ist kein Wohnzimmer, das bis in den letzten Winkel kontrolliert und aufgeräumt sein muss. Die Natur hat ihre eigene Ordnung und diese zu durchschauen und zu respektieren, ist das eigentliche Geheimnis der naturnahen Gartengestaltung.
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