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Mitglied werdenBürger-Luftmessnetz entlang der Elbe
Hintergrund zum Projekt
Lücken im Netz
Das städtische Messnetz besteht aus nur wenigen Stationen, welche zudem entweder Straßen erfassen oder die städtische Hintergrundbelastung messen. Das Projekt setzt sich das Ziel, die großen Lücken im Bereich Norderelbe zu schließen, um die Umwelt- und Gesundheitsgefährdung, die von Schiffen und Hafen ausgehen, besser abschätzen, einordnen und darstellen zu können.
Das Luftmessnetz in Hamburg ist grob gerastert. Mit Ausnahme der Luftmessstation am Altonaer Elbhang gibt es auf der Nordseite der Elbe, wo durch den vorherrschenden Süd-West-Wind die meisten Emissionen ankommen, keine Messstellen. Entsprechend dünn ist die offizielle Datenlage zu Luftschadstoffen in Hafennähe entlang der Elbe (zwischen Hafencity über die Neustadt, St. Pauli, Altona, Ottensen, Flottbek bis Wedel). Mit der Einrichtung von vier eigenen Messstationen als Basisnetz sollen zusätzliche Daten gewonnen, interpretiert und veröffentlicht werden, um mehr Klarheit über den Grad der Luftverschmutzung aus Schifffahrt und Hafen zu bekommen. Diese Belastungen sollen mit Hintergrunddaten des offiziellen Messnetzes verglichen und ins Verhältnis zu den hochfrequentierten Straßen in vom Hafen entfernten Stadtteilen gesetzt werden.
Ergänzend zum fest installierten Netz soll ein tragbares Gerät zur Messung von Feinstaub angeschafft werden. Dieses ermöglicht zum einen Messungen an weiteren Orten beiderseits der Elbe sowie zur Ermittlung von Messwerten an ortsfernen Vergleichspunkten. Zudem ermöglicht es einen direkten Vergleich mit den Messdaten der Stationen vor Ort. Die Stationen können im Gegensatz zum städtischen Messnetz sekundengenau ausgelesen werden und ermöglichen so auch die Zuordnung von Verschmutzungsereignissen zu einzelnen Schiffsaktivitäten.
Aufklärung wichtiger denn je
Mit seinem Projekt will der NABU Hamburg Bürgerinnen und Bürger über die schlechte Luftqualität, die Quellen, die Folgen und mögliche Abhilfemaßnahmen informieren. Noch ist das Bewusstsein über das Ausmaß der hafen- und schiffsbezogenen Emissionen und die damit verbundenen negativen Gesundheit- und Umweltwirkungen unterentwickelt. Deswegen plant der NABU im Rahmen des Projektes vier Informationsveranstaltungen entlang der Elbe, bei denen einerseits NABU-Mitarbeiter fachlichen Input zum Thema Schiffs- und Hafenemissionen liefern sowie Fachleute (zum Beispiel HPA, BSH, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Lungenärzte) zusätzliche Expertise beisteuern.
Im Rahmen öffentlicher Bürgerveranstaltungen soll über das Projekt, die Problemlage und Lösungsmöglichkeiten berichtet werden. Behörden und Politik sollen hierüber ebenfalls eingebunden werden.
Aufbau eines Bürger-Messnetzes
Um das eigene Projekt-Basisnetz von vier Stationen zu erweitern, sollen Anwohner oder Anwohnergruppen über die Veranstaltungen ermuntert werden, eigene Messstationen zu installieren, um das Messnetz zu verdichten und über die Projektphase hinaus zu verstetigen. Als Kooperationspartner für das Messsystem steht die Firma „Breeze Technologies“ als Partner zur Verfügung. Das junge Start-Up, das 2017 mit dem Hamburger Gründerpreis ausgezeichnet wurde, stellt diese Systeme zur Verfügung, bereitet die gesammelten Daten auf und macht sie für die Öffentlichkeit über ihre eigene sowie die NABU-Website verfügbar. Die Detailschärfe der Aufbereitung der Daten kann den Bedürfnissen der Nutzer angepasst werden. Womit es zugleich möglich ist, die Hintergrundbelastung an einem Ort darzustellen. Möglich sind aber auch sekundengenaue Messungen, um beispielsweise einzelne vorbeifahrende Schiffe als mögliche Emittenten zu ermitteln.
Das Hamburger StartUp stellt kleine Luftmessgeräte her, die im Vergleich mit den offiziellen Hamburger Luftmessnetzstationen rund 90 Prozent Genauigkeit aufweisen. Ziel des Unternehmens ist, in Quartieren oder Regionen mehrere Geräte zu installieren, um durch Quantität auch mehr Qualität bei den Daten zu erlangen, da eine höhere Dichte zwangsläufig zu einer genaueren Beschreibung der Luftsituation führt. Breeze entwickelt Umweltsensorik- und -analysesoftware. Die Miniatur-Luftqualitätssensoren messen zum Beispiel Stickoxide, Ozon, Feinstaub und Schwefeloxide. Die Lösungen ermöglichen eine flächendeckende Überwachung der Luftqualität in Echtzeit.
Aktuell wird ein Web-Portal mit mehreren Messpunkten im Stadtteil Rothenburgsort pilotiert. Das Luftqualitäts-Bürgerinformationsportal liefert dabei hochlokale Luftqualitätsdaten und ist zugleich eine erste Anlaufstelle für interessierte Bürgerinnen und Bürger: map.breeze-technologies.de.
Projektziele
Im Zentrum des Projekts steht, die Anwohnerinnen und Anwohner über die Probleme aufzuklären. Weil die Gefahren der Auswirkungen nach wie vor unterschätzt werden, sollen die Betroffenen mündig und wissend gemacht werden. Wichtig ist, ihnen Handlungsoptionen aufzuzeigen und Daten bereitzustellen, um die nötige Argumentationsgrundlage für mehr Luftreinhaltung zu verbessern.
Neben der Bewusstseinsschaffung für das Problem Luftverschmutzung soll über diesen partizipativen Ansatz ein tieferes Verständnis über Luftverschmutzung vermittelt, sowie vor Ort für Unterstützung unserer Anliegen geworben werden. Lokale Akteure sollen durch einen Citizen-Science-Ansatz interessiert sowie in die Lage versetzt werden, durch selbst ermittelte Daten eine Verbesserung der Situation einfordern zu können. In der Vernetzung von Bürgerinnen und Bürgern, die sich entlang der Elbe oder auch in weiteren Stadtteilen für mehr Luftreinhaltung engagieren, sieht der NABU eine große Chance den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen sowie die Verstetigung dieses Engagement über den Projektzeitraum hinaus zu gewährleisten.
Das Messnetz soll auch dem NABU in unserer Kritik gegenüber Emittenten und politisch Verantwortlichen die nötige Datengrundlage liefern.
Ausblick
Das Messnetz soll nach Möglichkeit über den Zeitraum des Projekts bestehen bleiben, indem Anwohner oder Unternehmen als Sponsoren für die Sensoren gewonnen werden. Der NABU wird diese Daten weiterhin nutzen und sich gemeinsam mit den entstandenen Netzwerken aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern entlang der Elbe für eine Verbesserung der Luftqualität einsetzen. Das tragbare Messgerät wird vom NABU weiter genutzt werden, auch um auf weitere Belastungsquellen wie etwa den Luft- und Straßenverkehr aufmerksam zu machen. Zudem können mobile Messungen auf Schiffen durchgeführt werden um die Belastung der Passagiere und Mitarbeiter an Bord zu ermitteln.
Das Gerät möchte der NABU auch anderen Akteuren zur Verfügung stellen. Im Sommer 2017 ist beispielsweise ein solches Gerät für Produktionen von ARD und ZDF zu Messungen auf Kreuzfahrtschiffen ausgeliehen, sowie gemeinsam mit der Hamburger Bürgerinitiative „Gemeinschaft Fluglärm“ zu Messungen am Flughafen genutzt worden.
Luftverschmutzung als Gefahr für Mensch und Natur
Luftverschmutzung ist eine der größten globalen Herausforderungen. Laut einer Studie (2017) sterben weltweit rund neun Millionen Menschen an den Folgen von Umweltverschmutzung- drei Mal mehr als durch HIV, Tuberkulose und Malaria zusammen. Die mit Abstand gravierendsten gesundheitlichen Folgen hat dabei Luftverschmutzung - im Freien und in Innenräumen. In Europa sterben etwa 400.000 Menschen pro Jahr vorzeitig an den Folgen schlechter Luftqualität. Davon werden laut EU-Kommission über 50.000 Todesfälle alleine der internationalen Schifffahrt zugeschrieben.
Neben den gesundheitlichen Gefahren wie Herz- Kreislaufproblemen, Herzinfarkten, Alzheimer oder zahlreiche Arten von Krebs durch unterschiedliche Luftschadstoffe ist auch die Umwelt betroffen. So leiden Böden und Gewässer an der Überdüngung durch Stickstoff oder Wälder am Eintrag von Schwefel. Auch das Klima wird beeinflusst. Denn ungefilterter Ruß aus der Schifffahrt, der bis zu 400 Kilometer verdriftet wird, schwärzt das arktische Eis. Das Sonnenlicht wird nicht mehr reflektiert, sondern absorbiert. Somit ist die Seeschifffahrt nach CO2 der zweitgrößte Klimatreiber.
Lasche Vorgaben für Schifffahrt und Häfen
Im Gegensatz zu den europäisch vergleichsweise streng geregelten Straßenverkehrsemissionen (Diesel: Katalysator, Rußpartikelfilter, Kraftstoff mit maximal 0,001 Prozent Schwefelanteil) müssen Seeschiffe lediglich die Grenzwerte der International Maritime Organisation (IMO) beachten. Diese legt lediglich einen Schwefelgrenzwert für den Treibstoff fest. Abgasfilterung ist nicht vorgeschrieben. Für einige Sonderzonen wie etwa die Schwefelkontrollgebiete in Nord- und Ostsee (SECA) und EU-Häfen gelten niedrigere Schwefelgrenzwerte. Dort darf der Schwefelanteil im Treibstoff 0,1 Prozent nicht überschreiten. Das ist immer noch 100 Mal mehr als auf der Straße.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird allgemein der Straßenverkehr, auch durch den „Diesel-Skandal“, als die größte unmittelbare Beeinträchtigung wahrgenommen. Doch Emissionen von Schiffen und anderen Hafenaktivitäten haben einen lokal und regional deutlich höheren Anteil an Stickoxiden oder Feinstaub. Hinzu kommen gesundheitsgefährdende und umweltschädliche Schwefeloxidemissionen, wie sie heute an Land kaum noch auftreten.
Herausforderung für Küsten, Wasserwege und Häfen
Besonders Küstenzonen entlang viel befahrener Seewege, wirtschaftlich genutzte Ästuare und hoch frequentierte natürliche und künstliche Wasserstraßen sind von Schiffsemissionen (Schwelfeloxide SOx, Stickoxide NOx, Feinstaub PM und dessen Komponente Ruß und Black Carbon BC) betroffen. Aber auch Hafenstädte leiden unter enormen Mengen von Schadstoffen. Riesige Container- und Kreuzfahrtschiffe, aber auch kleinere Schiffe im Hafenbereich (Behördenschiffe, Schlepper, Fahrgastschiffe) oder Binnenschiffe emittieren enorme Mengen Schadstoffe im Vergleich zu landbasierten Maschinen. Hinzu kommen Emissionen aus dem Hafenbereich. Häfen sind europäische Sonderzonen und unterliegen nicht den sonst strengen landseitigen Regularien. Terminals mit dieselbetriebenen Containerstaplern, Hafenbahnen mit Dieselloks ohne Partikelfilter, Umfuhren von Containern per LKW und Schiffe an den Kaikanten während der Liegezeit tragen erheblich zur lokalen Luftschadstoffbelastung bei.
Der Hamburger Luftreinhalteplan
Der Luftreinhalteplan 2012 ermittelte rund 17 Prozent der gesamten Hamburger Feinstaubbelastung allein für Seeschiffe. 39 Prozent der gesamten Stickoxid-Emissionen in Hamburg fielen im aktuellen Luftreinhalteplan 2017 allein auf Schiffe. Und erst seit dem Luftreinhalteplan 2017, der im Juni 2017 vorgelegt wurde, gibt es überhaupt eine Abschätzung, welche anderen Quellen im Hafenareal zur Gesamtbelastung beitragen. Der aktuelle Luftreinhalteplan zeigt nun, dass an hafennahen Straßen bis zu 80 Prozent der Stickoxidbelastung aus dem Hafen stammen, den Grenzwertüberschreitungen kann dort also kaum über Regulierung des Straßenverkehrs beigekommen werden. Die Daten beruhen auf Modellierungen.