Chronik des NABU Hamburg
Über 100 Jahre mit Engagement für die Natur
Von 1907 bis 1937 stehen zunächst vogelkundliche Wanderungen und Beobachtungen im Vordergrund der Verbandsarbeit. Bedingt durch die Kriegswirren zwischen 1937 und 1949 und die damit einhergehende Zerstörung und Besatzung sind nur wenige Aktivitäten möglich. Zwischen 1949 und 1970 formiert der NABU sich neu. Die Mitgliederzahlen steigen. Der Verband betreibt Arten- und Biotopschutz insbesondere für Vögel. Ab 1970 führen gravierende Lebensraumzerstörungen durch Industrie, Straßenbau, Flurbereinigung, Pestizideinsatz zu immer umfassenderer Naturschutzarbeit. Seit 1987 profiliert sich der NABU als moderner Umweltverband, der neben praktischen Schutz- und Pflegemaßnahmen in zunhemendem Maße politische Lobby- und umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit leistet.
Im folgenden finden Sie Ausschnitte aus unserer Chronik "100 Jahre NABU Hamburg. Für Mensch und Natur in unserer Stadt." sowie eine Übersicht über wichtige Daten der Vereinsgeschichte. Die vollständige Chronik mit Anekdoten, Interviews und vielem mehr ist als Printversion beim NABU Hamburg erhältlich.
- Gründerjahre
- Vogelschutz im Dritten Reich
- Vom Vogelschutzverein zum Naturschutzverband
- Aufbruchstimmung
- Vielfältige neue Aufgaben
- Professionalisierung der Verbandsarbeit
- Vom DBV zum NABU
- Neue politische Herausforderungen
- 100 Jahre erfolgreiche Naturschutzarbeit
- Begeisterung für die Natur
- Chronologische Übersicht
"Seit Jahrzehnten macht sich eine rasche Abnahme unserer gefiederten Sänger in Wald und Feld mehr und mehr bemerkbar. Viele Vögel, welche früher sehr häufig waren, sind selten geworden, aus einigen Gegenden ganz verschwunden." So beginnt ein Aufruf an die Bevölkerung, verfasst von einer couragierten Frau aus dem Schwäbischen, die die Ausbeutung und Zerstörung der Natur nicht länger mit ansehen wollte - ihr Name: Lina Hähnle. Sie gründete am 1. Februar 1899 in Stuttgart den "Bund für Vogelschutz" (BfV).
Der Jahresbeitrag betrug lediglich 50 Pfennig, um möglichst rasch eine hohe Mitgliederzahl zu erreichen. Das "Glücksrezept" ging auf: Der neue Verein nahm eine rasante Entwicklung. Ende 1902 hatte er bereits 6100 Mitglieder, überall im deutschen Reich bildeten sich Ortsgruppen.
Im Jahresbericht des BfV von 1907 wird erstmals eine Ortsgruppe Hamburg erwähnt - der Vorläufer des heutigen NABU-Landesverbandes Hamburg. Über die genauen Umstände der Gründung dieser Ortsgruppe wissen wir leider nichts, ebenso wenig über deren Tätigkeiten in jener Zeit. Bekannt ist nur der Name des damaligen Leiters Gustav Cramer.
Ende 1907 zählte die Gruppe 60 Mitglieder, ein Jahr später 197 und zum 1.1.1910 bereits 295 Mitglieder. Schon früh hatte man in Hamburg die Bedeutung und Notwendigkeit des Vogelschutzes erkannt, eines Vogelschutzes freilich, der vor allem den Nutzen insbesondere der Singvögel bei der Schädlingsbekämpfung im Auge hatte: Bereits 1906 wurde ein staatlich bediensteter Vogelschutzwart angestellt, der darauf zu achten hatte, dass diese "nützlichen" Arten durch das Angebot von Nistplätzen und die gnadenlose Verfolgung potenzieller Feinde wie Eichhörnchen, Wiesel, Sperber oder Elstern, damals pauschal als "schädliches Raubzeug" verteufelt, gefördert wurden. Eine umfassendere Sichtweise offenbarte Professor Franz Dietrich, der 1912 im Vorwort seines Buches über "Die Vogelwelt in der Umgebung von Hamburg" vom "Wunsch und Bestreben" schrieb, "die einheimische Natur möglichst vollständig und in ihrer ursprünglichen Schönheit zu erhalten". Manches sei leider schon verloren und vieles gefährdet, da hieße es, "alle Kräfte zu sammeln und heranzuziehen". 1913 fand in der Hansestadt der 3. Deutsche Vogelschutztag statt - auf dem Hermann Hähnle, Sohn der Vereinsgründerin und späterer BfV-Präsident, einen Vortrag zum Thema "Elektrizität und Vogelschutz" hielt. Durch den Ersten Weltkrieg 1914-1918 kam die Tätigkeit der Hamburger Ortsgruppe zum Erliegen.
Nach dem Kriege ist die Hamburger Gruppe wahrscheinlich erst 1923 wiedererstanden. Der Anstoß dazu kam aus dem Hörerkreis des Lehrers Franz Tantow, der an der Hamburger Volkshochschule seit 1921 Kurse zur Einführung in die heimische Vogelwelt abhielt. Christian Scheidweiler, der auch später noch eine aktive Rolle im BfV Hamburg spielen sollte, und R. Evers, letzter Vorsitzender des "Vereins der Vogelfreunde für Vogelschutz und Liebhaberei in Hamburg", regten an, nicht nur theoretische Kenntnisse zu vermitteln, sondern auch praktischen Vogelschutz zu betreiben. So kam es zur Gründung der "Gruppe Niederelbe im Bund für Vogelschutz e.V. Stuttgart - Sitz Hamburg". Vorsitzender wurde Franz Tantow.
Einmal im Monat fand ein Vereinsabend statt und am ersten Sonntag im Monat eine Exkursion. Über die praktische Tätigkeit der Gruppe wissen wir, dass sie in Oetjendorf bei Großhansdorf ein Vogelschutzgehölz betreute, in dem sie vornehmlich Nisthöhlen aufhing und kontrollierte. Einige Mitglieder gründeten 1928 eine "Schutzgemeinschaft für das Klövensteengehege" zum Schutz der dort brütenden Wanderfalken. Sie brachten Kunsthorste an und bewachten das Brutgeschehen. Gleiches geschah einige Jahre später im Forst Hahnheide bei Trittau. Dadurch kam es an beiden Orten über mehrere Jahre zu erfolgreichen Wanderfalkenbruten.
Das eigentliche Interesse des Vorsitzenden Franz Tantow lag jedoch in der Erforschung der heimischen Vogelwelt. Bei der Vorbereitung seines bekannten Buches "Das Vogelleben der Niederelbe" (erschienen 1936) unterstützten ihn die Mitglieder, ganz besonders der junge Hermann Kroll, durch eigene Beobachtungen. Um sich ganz dieser Aufgabe widmen zu können, trat Tantow 1934 von seinem Amt als Vorsitzender zurück.
Vogelschutz im Dritten Reich
Auf der Hauptversammlung am 27.9.1934 führte Vereinsgründerin Lina Hähnle Herrn Hugo Hayer in sein neues Amt als Leiter der Gruppe Niederelbe ein. Bald darauf wurde der "Bund für Vogelschutz" per Dekret von Hitlers Reichsforstministerium in "Reichsbund für Vogelschutz" umbenannt, in den bis 1938 im Zuge der so genannten Gleichschaltung im Dritten Reich alle anderen Verbände, die sich mit Vogelkunde und Vogelschutz beschäftigten, eingegliedert wurden. Im Verein schien man über die braunen Machthaber zunächst nicht unglücklich, hatten sich doch auch diese den Schutz der Heimat und der Natur auf die Fahnen geschrieben - wenn auch sicherlich aus anderen Gründen als die Aktiven um Lina Hähnle. Immerhin: 1935 wurde das Reichsjagdgesetz erlassen, das, so jubelten die Vogelschützer, "in weitestem Umfang den Wünschen des Naturschutzes" entsprach. Noch im selben Jahr wurde auch das lang ersehnte Reichsnaturschutzgesetz verabschiedet. Darin war auch die Bestimmung enthalten, besondere staatliche Behörden für den Natur- bzw. Vogelschutz einzusetzen. Seit dieser Zeit wird zwischen privatem und öffentlichem Naturschutz unterschieden. Der Verband hatte durch seine jahrzehntelange beharrliche Arbeit einen ersten Meilenstein erreicht: Naturschutz wurde von der Regierung als allgemeines Anliegen anerkannt. Dementsprechend wurde 1936 als Dienststelle der Hamburger Kulturbehörde eine "Abteilung für Naturschutz" eingerichtet, die seit 1946 den heutigen Namen "Naturschutzamt" trägt.
Hitler selbst gab sich als Vogelfreund und ließ folgenden Erlass verkünden: "Es ist des Führers besonderer Wunsch, dass dem Vogelschutz auf dem Lande durch Anpflanzung bzw. Erhaltung natürlicher Hecken und Sträucher weitestgehende Beachtung geschenkt wird."
Die Anlage von Vogelschutzgehölzen stellte somit eine wichtige Aufgabe auch der Gruppe Niederelbe im Reichsbund für Vogelschutz dar: So gestaltete sie etwa in Hamburg-Farmsen (am Berner Heerweg) eine ehemalige Ziegeleigrube in ein Vogelschutzgebiet um. Dazu wurden über 1300 Gehölze gepflanzt, darunter allein 600 Weißdorn-Sträucher und 250 Fichten. Wie damals üblich, bestellte Hugo Hayer die benötigten Gehölze sowie zusätzlich 30 Nistkästen ("die Hälfte mit 27 mm Flugloch") noch bei der "sehr geehrten gnädigen Frau Kommerzienrat" Lina Hähnle persönlich. Von Giengen an der Brenz, wo sich die Geschäftsstelle des BfV im Hause der Familie Hähnle befand, wurde das Gewünschte dann nach Hamburg geliefert.
Doch nicht nur der praktische Vogelschutz erfuhr während Hayers Amtszeit einen deutlichen Aufschwung: Von 1934 an bot die Gruppe Niederelbe mit Unterstützung des Hamburger Zoologischen Museums alljährlich in den Monaten April bis Juni in den Parkanlagen der Stadt "Beobachtungsstunden zur Einführung in die heimische Vogelwelt" an - der Vorläufer der heute noch sehr beliebten "Was singt denn da?"- Führungen, die seit 1948 unter diesem Namen stattfinden. Anfangs wurden wöchentlich in zehn Gruppen vogelkundliche Spaziergänge für Anfänger durchgeführt. In den folgenden Jahren wurde das Angebot an den offenbar sehr gut besuchten "Beobachtungsstunden" und auch an längeren vogelkundlichen Wanderungen stetig ausgebaut, teils in enger Zusammenarbeit mit der NS-Organisation "Kraft durch Freude". Neben Hayer und Tantow fungierten als Leiter dieser Veranstaltungen legendär gewordene Vereinsmitglieder wie "Krischan" Scheidweiler, Richard Heimann, Johannes Verthein und Margarete Kayser ("Frl. Kayser").
Im Juli 1937 legte Hugo Hayer sein Amt als Vorsitzender nieder, da er beruflich ins "Führerquartier" auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden versetzt wurde, wo er in der Naturschutzverwaltung tätig war. Zu seinem Nachfolger wurde der Lehrer Willy Frasch gewählt, der den Verein offiziell bis 1947 führte. Eine "Arbeitsgruppe Vogelkunde" widmete sich insbesondere den Wasservögeln an der Elbe. Von 1938 bis 1940 wurden fünf Mitteilungsblätter ("Niederelbe-Mitteilungen") gedruckt, die Themen aus Vogelschutz und Vogelkunde behandelten. In dieser Zeit gab die Gruppe Niederelbe auch erstmals Informationen an die Presse, so 1939 über eine Ölpest. In den Kriegsjahren konnten in Hamburg Vereinsabende und Wanderungen bis zu den verheerenden Bombennächten im Juli 1943 durchgeführt werden. Viele Menschen wurden obdachlos oder fanden den Tod. "Wir danken für die Mitteilung Ihrer Anschrift", hieß es in einem Schreiben an die verbliebenen Mitglieder im Januar 1944: "Infolge der jetzigen Verhältnisse können Vortragsabende nicht stattfinden, doch sollen Ausflüge wieder durchgeführt werden. Herr Frasch ist z.Zt. bei der Wehrmacht
Frau Frasch hat dankenswerterweise den Schriftverkehr übernommen." In dieser schweren Zeit vertrat Kassenwart Arthur Vollmer seinen Vorsitzenden. Selbst noch kurz vor Kriegsende, im April 1945, "wollen wir versuchen, auch in diesem Frühjahr die heimische Vogelwelt gemeinsam zu erleben. Kriegsbedingte Inanspruchnahme der vorgesehenen Führer, Fahrplanänderungen und andere Ursachen lassen die Einhaltung der nachstehend aufgeführten Wanderungen allerdings nicht gewährleisten." Hamburg lag in Schutt und Asche, doch der rührige Vollmer, selbst körperlich schwer behindert, bot seinen Vereinsmitgliedern unverdrossen ein Programm an. Am 5. Mai 1945 wurde die Stadt von britischen Truppen besetzt, die sofort ein allgemeines Versammlungsverbot erließen. So kam das Vereinsleben zum zweiten Mal nach einem Krieg zum Erliegen.
Vom Vogelschutzverein zum Naturschutzverband
1970 rief der Europarat erstmalig in der Geschichte ein "Europäisches Naturschutzjahr" (ENJ) aus. Der Grund: Nicht nur in Deutschland hatte das ungebremste Wirtschaftswachstum unübersehbare Spuren hinterlassen: Luftverschmutzung, verdreckte Gewässer, belastete Böden, wilde Müllentsorgung und ein ungeregelter Flächenverbrauch waren drängende Probleme und für jedermann offensichtlich. Das ENJ sollte die Menschen aufrütteln und gleichzeitig "klarstellen, dass Naturschutz längst weit mehr geworden ist als die überholten Vorstellungen vom Blumenschützen und der alten Naturschutztante" (zit. nach "Vogel und Heimat"). Die ENJ-Kampagne war überaus erfolgreich, traf sie doch den aktuellen Zeitgeist: Die Umwelt- und die Friedensbewegung der damaligen Zeit resultierten auch aus den Studentenunruhen der ´68er Jahre. Naturschutz war endgültig gesellschaftsfähig geworden. Doch im DBV tat man sich noch schwer mit der neuen Entwicklung. Zwar wurden in "Vogel und Heimat" seit Ende der 60er Jahre vermehrt Artikel namhafter Autoren wie Henry Makowski, Hubert Weinzierl oder Wolfgang Erz abgedruckt - allesamt Pioniere des modernen Natur- und Umweltschutzes -, in der Praxis jedoch standen zunächst weiterhin Vogelbeobachtung, Vogelkunde, Vorträge, Reisen und Wanderungen im Vordergrund. Doch an der Basis rumorte es, wie ein Brief des Mitgliedes Helmut Beyer an den 1. Vorsitzenden Paul Eggers anlässlich der Pläne für Deichbaumaßnahmen und den Bau eines Flughafens in der Wedeler Marsch zeigt: Darin heißt es unter anderem: "Es geht nicht an, dass wir in molligen Vortragssälen bei schönen Farbdias und Filmen das Sterben der letzten, selten gewordenen Tiere bedauern, sondern wir müssen aktiv werden und unsere Reisen in den sonnigen Süden mit der norddeutschen Heimat vertauschen." Immerhin wurden 1971 im Verein fünf Arbeitsgruppen gebildet, deren Leiter in den neu berufenen Beirat berufen wurden.
Eher zaghaft beschritt der Verband in der Öffentlichkeitsarbeit neue Wege: 1971 war der DBV Hamburg erstmals mit einem eigenen Stand auf der Verbrauchermesse "Du und Deine Welt" vertreten. Es musste viel improvisiert werden, denn es gab kaum brauchbares Material, auf das man hätte zurückgreifen können. Der Stand war dennoch ein voller Erfolg: "Die Beachtung, die er fand, sollte uns ein Ansporn sein, mit weiteren Werbevorhaben dieses Interesse wach zu halten und auszubreiten", hieß es in "Vogel und Heimat". Damit war der Grundstein gelegt für professionell gestaltete Messeauftritte in späteren Jahren, bei denen dem Publikum teilweise ganze Gartenlandschaften mit blühenden Blumen, Dachbegrünung, Teich und Trockenmauer präsentiert wurden.
Auch die Zahl der betreuten Gebiete wuchs allmählich an: 1971 übernahm der DBV die Betreuung der "Reit" im Bezirk Bergedorf, wo seit 1973 im Rahmen eines internationalen wissenschaftlichen Forschungsprogramms Zugvögel beringt werden.
1972 folgte der Öjendorfer See (Vogelschutzzone), und im selben Jahr wurden drei Inseln im jetzigen Naturschutzgebiet "Alte Süderelbe" gepachtet. Die beliebten Dia- und Filmvorführungen, bisher im "Haus des Sports" abgehalten, wurden ebenfalls 1972 ins Hamburg-Haus Eimsbüttel verlegt, wo der NABU bis heute im Winterhalbjahr ein öffentliches Veranstaltungsprogramm anbietet.
1973 wurde Jürgen Dien, seit 1967 Stellvertreter von Paul Eggers, zum neuen Vorsitzenden gewählt und Eggers zum bisher einzigen Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes ernannt. Mit Dien, Geschäftsführer einer großen Firma, kam frischer Wind in den Verein. Er übernahm das Amt in einer Zeit stark zunehmender Umweltzerstörung, die eine Verstärkung, Ausweitung und Neuorientierung der Verbandsarbeit erforderte. Ausgestattet mit unternehmerischem Elan, visionärer Vorstellungskraft und dem Blick für das Wesentliche baute Dien mit großem persönlichem Einsatz und modernem Management den immer noch beschaulich dahin dümpelnden Verein, der zu jener Zeit weniger als 2000 Mitglieder zählte, zu einer schlagkräftigen Organisation aus: "Unser Ziel ist es, den Bund für Vogelschutz als Publikumsverein mit einem aktiven Kern als ein Sammelbecken aller am Vogelschutz und damit auch am Natur- und Umweltschutz Interessierten zu führen.
Als unsere Aufgaben betrachten wir u.a. die Einrichtung weiterer Schutzgebiete, Biotopgestaltung in der freien Landschaft (Bewässerungen usw.), Artenschutz (z.B. bei Seeadler und Kranich), Gebietserhaltung durch gezielten Kauf von Grundstücken, Aufklärung über Vogelschutz und Fütterung, Interventionen gegen die Vernichtung der Vögel (auch in anderen Ländern), Informationsstände in bedrohten Gebieten (z.B. Wedeler Marsch, Harburger Außenmühle, Öjendorfer Teich). Dies ist nur eine kleine Aufzählung aus dem großen Aufgabenkatalog." (aus "Vogel und Heimat" 3/73)
Um die selbst gesteckten Ziele erreichen zu können, brauchte der Verband viele aktive Mitstreiter, Unterstützer und Geld. Jede Möglichkeit zur Mitgliederwerbung wurde genutzt. Mehrere Jahre lang gab es für die Werbung eines neuen Mitglieds eine wertvolle Buchprämie, und auch heute noch erhalten die erfolgreichsten Werber Prämien. In Diens Amtszeit konnte so die Mitgliederzahl mehr als verdreifacht werden.
Um den vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden, wurden weitere Arbeitsgruppen gegründet, u.a. für die Jugendarbeit.
Aufbruchstimmung
Wachsende Umweltprobleme und eine immer stärker werdende "Ökologie-Bewegung" ließen immer mehr Mitglieder im Verband aktiv werden, die sich zunehmend auf Orts- bzw. Stadtteilebene organisierten. So waren die 70er Jahre die Geburtsstunde vieler heute noch bestehender NABU-Gruppen. Nachdem als früher Vorläufer bereits 1962 eine "Arbeitsgruppe Wedel im BfV" entstanden war, wurden 1972 in Öjendorf die erste Stadtteilgruppe und in Langenhorn die erste Jugendgruppe gegründet.
Damit war der Grundstein gelegt für die bis heute so überaus erfolgreiche Basisarbeit, ohne die der Erfolg des NABU nicht denkbar wäre. Ein Heer von Aktiven, verteilt über das gesamte Stadtgebiet und das Umland, kümmert sich seither vor Ort um den Schutz von Lebensräumen, Pflanzen und Tieren. Die ehrenamtlichen Verbandsmitglieder betreuen Schutzgebiete, betreiben vor Ort Werbung für den Naturschutz, halten Kontakt zur örtlichen Presse, verhandeln mit Lokalpolitikern und Behörden auf Ortsamts- und Bezirksebene und vieles mehr. Ob Bestückung von Schautafeln oder Arbeitseinsätze in Betreuungsgebieten, ob Teilnahme an Stadtteilfesten oder an Sitzungen des Ortsausschusses, ob Eingaben an Bezirkspolitiker oder Führungen in die heimische Natur - die Arbeit der Gruppen ist höchst vielfältig und unverzichtbar, leistet sie doch einen wesentlichen Beitrag dazu, eine lebenswerte Umwelt mitten in der Großstadt zu bewahren.
Kranichwache
Gleichzeitig engagierte sich der Verband auch außerhalb des Hamburger Stadtgebietes: Die fortschreitende Industrialisierung des Unterelberaumes stand dabei genauso auf der Tagesordnung wie Deichbauprojekte an der schleswig-holsteinischen Westküste (Rodenäs u.a.) oder die Pläne für ein gigantisches Hafen- und Industrieprojekt im Wattenmeer zwischen Neuwerk und Scharhörn. Angesichts solcher Mammutaufgaben war der Vorstand bestrebt, die Kontakte zu anderen Verbänden auszubauen, denn "alle am Natur- und Umweltschutz Interessierten sind heute dazu verpflichtet, über die früheren Schranken hinweg zur Erhaltung der Lebensräume und Lebensqualität zusammenzuarbeiten" (Vogel und Heimat 3/73). Zusammen mit befreundeten Verbänden aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein gründete der DBV Hamburg daher die "Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe" (AUN), war Mitglied der "Aktionsgemeinschaft Nordseewatten" und trug zusammen mit neun Natur- und Vogelschutzorganisationen aus den Niederlanden, Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland entscheidend dazu bei, dass das Wattenmeer vor der Elbmündung ein Nationalpark und kein Industriegebiet wurde.
In den 70er Jahren herrschte eine wahre Aufbruchstimmung in der gesamten Naturschutzszene. 1975 wurde der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegründet, der von Anfang an sehr viel offensiver auftrat als die traditionellen Vogelschützer. Doch auch der in der Vergangenheit so betuliche DBV riskierte jetzt geradezu aufmüpfige Töne: "Beispiele dieser Art sind dazu angetan, die Selbstherrlichkeit der Behörden zu dämpfen und dem Bürger Mut zum Widerstand gegen umweltfeindliche Maßnahmen der Obrigkeit zu machen." (Rolf Dörnbach in "Vogel und Heimat" nach einer erfolgreichen Aktion gegen die Zerstörung von Knicks in Großhansdorf). 1978 trat zu den Bürgerschaftswahlen eine "Grüne Liste Umweltschutz" (GLU) an, der Vorläufer der heutigen Grün-Alternativen Liste (GAL). In der GLU engagierten sich auch DBV-Aktive wie Günther Helm, Ronald Mulsow und Michael Kretschmer.
Ebenfalls 1978 erfuhr der amtliche Naturschutz in Hamburg, seit 1936 eine Dienststelle der Kulturbehörde, eine entscheidende Aufwertung: Mit der "Behörde für Bezirksangelegenheiten, Naturschutz und Umweltgestaltung" (BBNU), der Vorgängerin der 1985 ins Leben gerufenen Umweltbehörde, war nun eine eigene Behörde für alle Belange des Natur- und Umweltschutzes in der Hansestadt zuständig. Damit waren die seit 1950 laufenden Bestrebungen der Baubehörde, diese Bereiche in ihren Zuständigkeitsbereich zu integrieren, vorerst vom Tisch. Erster Hamburger Umweltsenator wurde der SPD-Politiker Wolfgang Curilla.
Vielfältige neue Aufgaben
Ab 1973 engagierte sich der DBV in der mittleren Elbtalaue im Raum Gartow/Höhbeck (Landkreis Lüchow-Dannenberg); ein Jahr später konnte dort die erste Fläche erworben werden. Das war der Beginn einer beispiellosen Erfolgsstory: Bis heute hat der Verband hier und im benachbarten Sachsen-Anhalt rund 400 Hektar Land erworben und nach Naturschutzgesichtspunkten gestaltet und gepflegt. Durch dieses Engagement kehrten Kranich, Seeadler, Biber, Laubfrosch und viele weitere seltene Tier- und Pflanzenarten in die Elbtalaue zurück.
1973 wurde die Abteilung "Reisen und Wandern" ein eigenständiger Geschäftsbetrieb des Verbandes und das Programm in den Folgejahren systematisch ausgebaut.
Ebenfalls 1973 baute der Verband einen Buch- und Postkartenvertrieb auf, der im September 1978 zur Gründung der "Vogel und Heimat GmbH" führte. Der Erlös aus dem Verkauf kam der Verbandsarbeit zugute. Den Vertrieb der Waren übernahmen zunächst Richard Laude (Bücher) und Rolf Dörnbach (Postkarten und Poster), später zeichnete hierfür Hannelore Paetzel verantwortlich.
Im selben Jahr erschien ein erstes Sonderheft von "Vogel und Heimat". 16 weitere Bände folgten, ehe die Reihe 1993 mit Band 17 eingestellt wurde. Die beliebten Sonderhefte boten Platz für ausführliche Jahresberichte aus den nun immer zahlreicher werdenden Betreuungsgebieten, später auch für die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit im Verband.
Auch die Öffentlichkeitsarbeit wurde nun stark ausgeweitet: Ausstellungen zum Thema Vogelschutz in Apotheken-Schaufernstern fanden großes Interesse bei Passanten und halfen, neue Mitglieder zu werben. Ein Höhepunkt war auch die Ausstellung "Das Vogelleben zwischen Hamburg und Helgoland", die der DBV Hamburg zusammen mit anderen norddeutschen Naturschutzverbänden und dem englischen "Wildfowl Trust" auf dem Passagierschiff "Wappen von Hamburg" zeigte. Sie zog insgesamt fast 20.000 Besucher an. Rund 40 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus den Reihen des DBV Hamburg besetzten den Infostand des Vereins vier Wochen lang jeweils von 10 bis 20 Uhr!
Professionalisierung der Verbandsarbeit
Ab Mitte der 70er Jahre wurde die Verbandsarbeit zunehmend professionalisiert: Im Juli 1975 eröffnete der DBV in der Bachstraße 81 in HH-Barmbek eine kleine Geschäftsstelle, die zunächst rein ehrenamtlich von Heinz Priess betreut wurde. "Wir suchen aber noch dringend Mitglieder, die sich an Nachmittagen in unserer Geschäftsstelle aufhalten und hier einfache Büroarbeiten verrichten und das Telefon bedienen", hieß es in einem Aufruf im Mitteilungsblatt "Vogel und Heimat".
1977 übernahm der erste Zivildienstleistende die Betreuung der Geschäftsstelle, und 1980 schließlich konnte mit dem Diplom-Biologen Hans-Joachim Spitzenberger der erste hauptamtliche Mitarbeiter - zunächst auf der Basis einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) - eingestellt werden. Denn inzwischen waren die Arbeiten so umfangreich und auch fachlich so anspruchsvoll geworden, dass sie von ehrenamtlichen Kräften allein nicht mehr bewältigt werden konnten. Das 1976 neu erlassene Bundesnaturschutzgesetz ermöglichte es anerkannten Naturschutzverbänden jetzt, an behördlichen Planungen mitzuwirken. 1978 hatte der DBV Hamburg nach Paragraph 29 dieses Gesetzes die notwendige Anerkennung erhalten und durfte nun zu Bauvorhaben, Straßenplanungen oder Industrieansiedlungen qualifizierte Stellungnahmen abgeben. Die Mitwirkungsmöglichkeiten für den Verband wurden durch das 1981 erlassene "Hamburgische Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege" sogar noch ausgeweitet. So sah das Gesetz erstmals eine Klagebefugnis gegen Eingriffe in ausgewiesene Naturschutzgebiete vor (Verbandsklagerecht). Seither spielt diese "§ 29-Arbeit" eine wesentliche Rolle im Aufgabenspektrum des Verbandes (auch wenn sich die Nummer des entsprechenden Paragraphen nach einer umfangreichen Gesetzesnovelle inzwischen geändert hat).
In den Jahren 1975/76 musste der DBV ohnmächtig mit ansehen, wie das "Mekka" der Hamburger Vogelkundler, die Wedeler Marsch, durch Eindeichung zerstört wurde. Immerhin gelang es nach zähem Ringen, eine beim Deichbau entstandene Kleinentnahmestelle zu pachten und unter Gesichtspunkten des Wasservogelschutzes zu gestalten. In diesem Rahmen fand am 15. März 1980 der wohl größte Arbeitseinsatz in der Verbandsgeschichte statt, an dem über 100 Naturschützer aus verschiedenen DBV-Gruppen teilnahmen.
Umweltpolitische Großprojekte hielten zu jener Zeit den Verband, insbesondere die neu formierte "Arbeitsgemeinschaft Natur & Umwelt" (AGNU) in Atem: So musste er sich unter anderem mit der Zerschneidung des Sachsenwaldes durch die Autobahn A 24 von Hamburg nach Berlin beschäftigen. Andere Themen waren damals so aktuell wie heute: die "Moorautobahn" A 26 sowie die Zerstörung des Mühlenberger Lochs, die 1981 vorerst abgewehrt werden konnte. 1980 veranstaltete der DBV erstmals eine öffentliche Podiumsdiskussion mit Vertretern aller politischen Parteien im Zoologischen Institut.
Auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wurde nun systematisch betrieben: 1978 nahm eine neu gegründete "Werbegruppe" unter Leitung von Detlef Brüchmann ihre Arbeit auf. Sie konzentrierte sich zunächst darauf, neue attraktive Ausstellungen zu erstellen und geeignete Ausstellungsorte zu finden. In der Regel wurden diese Ausstellungen vor Ort von Ehrenamtlichen betreut, um Publikumsfragen zu beantworten und Mitglieder zu werben. Ab 1980 übernahm die "Werbegruppe" als weiteres Feld den Einstieg in eine verstärkte Pressearbeit: Alle vier Wochen wurde an alle in Hamburg und Umgebung erscheinenden Zeitungen ein "Pressedienst" herausgegeben. Auch die Geschäftsstelle gab zu aktuellen Anlässen zusätzliche Informationen an die Medien. (Zum Vergleich: Heute gibt die Pressestelle des NABU Hamburg jährlich etwa 200 Pressemitteilungen heraus.) Am 21. Mai 1980 veranstaltete der DBV anlässlich der geplanten Verabschiedung des Hamburger Naturschutzgesetzes die erste Pressekonferenz seiner Vereinsgeschichte.
1978 wurde das bisherige Mitteilungsorgan des DBV Hamburg "Vogel und Heimat" abgelöst durch die "Gelben Seiten", eine (gelegentlich auch blau eingefärbte) eingeheftete Beilage in der 1969 gegründeten Zeitschrift des DBV-Bundesverbandes "Wir und die Vögel". 1985 bekam die Verbandszeitschrift den neuen Namen "Naturschutz heute" - ein weiterer Beleg für den unaufhaltsam fortschreitenden Wandel vom einstigen "Vogelschutzclub" zu einem modernen Naturschutzverband.
1982 beging der DBV Hamburg sein 75jähriges Bestehen mit einer Festschrift und einer Festwoche mit zahlreichen Veranstaltungen. Höhepunkt war ein großer Ball im Curio-Haus.
Vom DBV zum NABU
Die deutsch-deutsche Wiedervereinigung im November 1989 hatte auch für den DBV weit reichende Folgen: Am 10. März 1990 hatten die DDR-Naturschützer einen "Naturschutzbund in der DDR" gegründet. Nach dem Muster des westdeutschen DBV sollte dieser ein Mitgliederverband sein, der sich in Landes- und Kreisverbände sowie Ortsgruppen gliedert. In der Satzung des neu gegründeten DDR-Naturschutzbundes war der Wunsch nach einem Zusammenschluss mit dem DBV unter dem Namen "Naturschutzbund Deutschland" verankert - allerdings nur unter diesem Namen. Dem DBV bot sich so die einmalige Chance, durch eine entsprechende Namensänderung die Basis für den Zusammenschluss mit den Ost-Kollegen zu einer deutschlandweit tätigen Naturschutzorganisation zu schaffen. Am 6. Mai 1990 beschloss eine außerordentliche DBV-Bundesvertreterversammlung in Worms nach monatelanger leidenschaftlicher Diskussion, die fast zu einer Spaltung des Verbandes geführt hätte, den Traditionsnamen "Deutscher Bund für Vogelschutz" zu ändern in "Naturschutzbund Deutschland DBV" (das Kürzel "DBV" wurde erst später durch "NABU" ersetzt, um den Gegnern der Namensänderung entgegen zu kommen). Die vorher diskutierte Namensänderung in "Deutscher Naturschutzverband" war damit endgültig vom Tisch.
Die historische Wiedervereinigung zwischen ost- und westdeutschen Naturschützern fand dann im November 1990 in Berlin statt. Unter dem gemeinsamen Dach waren nun neben den Ornithologen auch Säugetierkundler, Botaniker, Fachleute für Reptilien und Amphibien, Insektenkundler und andere Spezialisten vereint, die vormals als Fachgruppen der Gesellschaft für Natur und Umwelt im DDR-Kulturbund organisiert waren. Aus dem klassischen Vogelschutzverein war nun endgültig ein moderner Naturschutzverband mit umfassender Fachkompetenz geworden.
Für die praktische Naturschutzarbeit des Hamburger Landesverbandes im Bereich der mittleren Elbtalaue ergaben sich nun ganz neue Möglichkeiten: Bisher hatten die Naturschützer um Manfred Reetz bestenfalls ahnen können, welche Naturschätze sich hinter den Grenzzäunen der ehemaligen innerdeutschen Grenze z.B. im Raum Schnackenburg/Gummern verbargen. Dort war für Ost und West bisher die Welt zu Ende. Die Grenzöffnung führte dazu, dass in den Folgejahren auch wertvolle Flächen im benachbarten Sachsen-Anhalt aufgekauft werden konnten (Wrechow, Wahrenberger Polder). Zur Unterstützung der ostdeutschen Naturschützer, die zunächst mit den Wirren der Nachwendezeit zu kämpfen hatten, übernahm der Landesverband Hamburg eine Partnerschaft mit den Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern.
Neue politische Herausforderungen
1993 ging der NABU erstmals auf die Straße. Anlässlich der bevorstehenden Bürgerschaftswahlen zogen Dutzende von Aktiven, als Ärzte und Krankenschwestern verkleidet, unter dem Motto "Kranke Natur braucht jetzt ´ne Kur" durch die Hamburger Innenstadt - nach Aussagen der begleitenden Polizei die "originellste und friedlichste Demo überhaupt". Auch gegen den geplanten Bau des Transrapid verstand der NABU in den Folgejahren die Massen zu mobilisieren.
1995 musste die im weiten Umkreis Hamburgs einzigartige Vogelpflegestation Ellernholt wegen einer drastischen Mieterhöhung seitens der Stadt trotz aller Erfolge geschlossen werden.
Zwei Jahre später schien auch das Aus für die Hamburger Vogelschutzwarte besiegelt: Die Umweltbehörde wollte die Stelle des bisherigen Leiters Günther Helm nach dessen Pensionierung einsparen. Die massive Intervention des NABU beim damaligen Umweltsenator Fritz Vahrenholt führte schließlich zu einem Teilerfolg: Die bereits 1906 eingerichtete Vollzeitstelle wurde zwar halbiert und musste zudem behördenintern besetzt werden, doch konnte das Ende dieser weltweit ältesten Einrichtung ihrer Art damit vorerst abgewendet werden. Seitdem kümmert sich Bianca Krebs um den staatlichen Vogelschutz, unterstützt vom Arbeitskreis an der Staatlichen Vogelschutzwarte.
1995 sollte die Naturschutzarbeit des NABU Hamburg eine völlig neue Dimension erreichen: Um ein riesiges Bauprojekt im "Moorgürtel" in der Harburger Süderelbmarsch zu stoppen, legte der Verband erstmals eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission in Brüssel ein. Der Streit, in dessen Verlauf sich die Naturschützer einer unsäglichen Polemik von Politik und Medien ausgesetzt sahen, sorgte als "Wachtelkönig-Affäre" bundesweit für Furore, endete jedoch letztlich in doppelter Hinsicht mit einem Riesenerfolg: Die ökologisch wertvollsten Teile des Moorgürtels wurden vom Hamburger Senat als Naturschutzgebiet und EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Außerdem werden seitdem überall in Deutschland bei Eingriffen in europaweit bedeutende Lebensräume die bis dahin weitgehend unbekannten strengen EU-Naturschutzrichtlinien angewendet. Ebenso ist es der beharrlichen Lobbyarbeit des NABU zu verdanken, dass Hamburg als erstes Bundesland seiner Verpflichtung nachkam, ausnahmslos alle fachlich geeigneten Flächen als europäische Schutzgebiete auszuweisen und so das europäische Naturerbe in der Hansestadt zu bewahren. Erfolgreich waren auch die Bemühungen, den militärischen Standortübungsplatz Höltigbaum als Länder übergreifendes Naturschutzgebiet zu sichern. Hier erforschte der NABU die Auswirkungen einer extensiven Beweidung mit Schottischen Hochlandrindern auf Flora und Fauna. Seit 1999 veranstaltet der NABU zusammen mit anderen Betreuerverbänden jährlich einen "Höltigbaumtag" für die ganze Familie mit zahlreichen Informationen und Attraktionen.
Die jahrelangen Anstrengungen zur Rettung der Elbbucht "Mühlenberger Loch" endeten indes mit einer herben Niederlage: Alle fachlichen und juristischen Argumente konnten die zerstörerischen Pläne von Senat und Airbus-Konzern nicht verhindern, Europas größtes Süßwasserwatt wurde für die Erweiterung des Airbus-Werksgeländes vernichtet. Auch Teile des "Alten Landes" waren davon betroffen. Daran konnten weder der Zusammenschluss des NABU mit dem BUND und dem Internationalen Tierschutzfonds IFAW zur "Internationalen Allianz für das Mühlenberger Loch" noch die Gründung des "Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion" etwas ändern. Im Schutzbündnis, mit rund 30.000 Mitgliedern die größte Bürgerinitiative Deutschlands, kämpfen Naturschutzverbände wie der NABU Seite an Seite mit Obstbauern, Landfrauen, Sportvereinen, Jägern, Großkaufleuten und vielen anderen von beiden Seiten der Elbe für den Erhalt der Natur- und Kulturschätze im Süderelberaum.
Weitere Großverfahren, mit denen sich der NABU in den 90er Jahren beschäftigte, waren etwa die Hafenerweiterung Altenwerder und die Elbvertiefung. Obwohl seit 1997 erstmals die "Grün-Alternative Liste" (GAL) zusammen mit der SPD in der Hamburger Regierung saß und der grüne Umweltsenator Alexander Porschke sich sehr engagierte, wurde eine Entwicklung immer klarer: Der Naturschutz hatte seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1989 deutlich an Stellenwert verloren - vorbei die Aufbruchsstimmung der 70er Jahre, Schluss mit den Erfolgen der 80er, als Naturschutz bereits gesellschaftlich etabliert schien. Jetzt standen Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit auf der Tagesordnung, Naturschützer sahen sich plötzlich als Wirtschaftsfeinde und Fortschrittsverhinderer diffamiert - ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten aus vergangenen Wirtschaftswundertagen.
100 Jahre erfolgreiche Naturschutzarbeit
Dennoch - das 100jährige Jubiläum der Vereinsgründung 1999 bot Anlass, mit Stolz auf die großen Erfolge zu blicken, und zeigte auch, dass der "alte" NABU in modernem Gewand mehr denn je eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt - allem Gegenwind zum Trotz. Aus diesem Anlass richtete der NABU im Oktober 1999 im Congress Centrum Hamburg (CCH) einen "Zukunftskongress" aus, bei dem hochkarätige Referenten mit den über 350 Teilnehmern über Perspektiven für den Natur- und Umweltschutz im 21. Jahrhundert diskutierten. Höhepunkte der Veranstaltung waren eine Rede des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau sowie der "Zug der Tiere", bei dem etwa 300 als Tiere verkleidete Schulkinder zum CCH zogen, wo sie ihre Forderungen und Wünsche für die Zukunft stellvertretend an NABU-Präsident Jochen Flasbarth, Landeschef Rolf Bonkwald und Hamburgs 2. Bürgermeisterin Krista Sager übergaben. Die Stadt ehrte die Teilnehmer des Zukunftskongresses mit einem festlichen Senatsempfang im Rathaus.
Anfang 1999 wurde Stephan Zirpel neuer Geschäftsführer des Landesverbandes. Im selben Jahr ging der NABU "online" und präsentiert sich seitdem unter www.NABU-Hamburg.de im Internet. Im November 2000 beschloss eine außerordentliche Mitgliederversammlung die Gründung der "NABU-Umweltstiftung Hamburg", die mit ihren Erträgen ausschließlich die Naturschutzarbeit des NABU Hamburg fördert.
Im Juni 2001 überschritt die Mitgliederzahl erstmals die "magische Grenze" von 10.000.
Im Juni 2003 zog die NABU-Geschäftsstelle aus der Habichtstraße in die Osterstraße 58 (HH-Eimsbüttel) um. Seither residiert der NABU gemeinsam mit anderen Umweltschutzverbänden sowie gewerblichen Unternehmen aus dem Umweltschutzbereich im "Haus der Zukunft". Ebenfalls 2003 konnte der NABU anlässlich des 20jährigen Bestehens des Infohauses im Duvenstedter Brook auf zwei Jahrzehnte höchst erfolgreicher Umweltbildungsarbeit zurückblicken. Im selben Jahr erhielt der Landesvorsitzende Rolf Bonkwald das Bundesverdienstkreuz für seine langjährigen herausragenden Verdienste im Naturschutz. Damit wurde letztlich die Arbeit des ganzen Verbandes honoriert - ein Zeichen dafür, dass trotz einer nicht gerade naturschutzfreundlichen Grundstimmung der NABU Hamburg im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft der Hansestadt mittlerweile fest verankert ist.
Begeisterung für die Natur
2001 erreichte der NABU noch einmal ein wichtiges Ziel: Eine Novelle des Hamburger Naturschutzgesetzes räumte dem NABU deutlich mehr Beteiligungsmöglichkeiten bei behördlichen Verfahren und auch ein verbessertes Verbandsklagerecht ein. Das war ein letztes Vermächtnis der recht erfolgreichen Politik von Umweltsenator Porschke - wenige Monate später wurde die Umweltbehörde nach der Abwahl der rot-grünen Hamburger Regierungskoalition entscheidend geschwächt und 2004 mit der Baubehörde verschmolzen, die staatlichen Zuschüsse an den NABU wurden drastisch gekürzt.
Daher setzte der Verband jetzt auf eine verstärkte Mitgliederwerbung und auf Öffentlichkeitskampagnen zu Themen, die die Bürger für die "Natur vor der Haustür" (und auf diesem Wege auch für den NABU) begeistern. Das Credo hieß nun: "Naturschutz macht Spaß!" Sehr erfolgreich waren die vielfältigen Aktivitäten im Rahmen der Jahresvogelkampagnen für Mauersegler (2000), Haussperling (2002 - "Mach´ Platz für´n Spatz!") und Zaunkönig (2004). Auch die große NABU- Kampagne "Mein Garten - natürlich schön und tierisch gut!" (Start 2002) stieß in der Öffentlichkeit auf große Resonanz. Das Motto "Gärten für Mensch und Natur" hatte sich der NABU allerdings schon Jahre zuvor auf die Fahnen geschrieben: 1994 öffnete der NABU-Naturgarten in Alsterdorf seine Pforten für Besucher. Dort erhalten Interessierte praktische Tipps und Beispiele von den ehrenamtlichen Betreuern der NABU-Gartengruppe. Auch diverse Veranstaltungen in der Geschäftsstelle wie der Sträuchermarkt erfreuten sich großer Beliebtheit.
Kräftig ausgebaut wurde auch das Angebot naturkundlicher Führungen. 1999 erschien erstmals ein umfangreicher Veranstaltungskalender. Neben einer Vielzahl von Naturerlebnisangeboten der NABU-Gruppen sind darin auch die Wanderungen, Seminare und Vorträge im Duvenstedter Brook enthalten sowie die beliebten vogelkundlichen Wanderungen "Was singt denn da?". Aus Anlass des 50jährigen Jubiläums dieser Veranstaltungsreihe fand im Mai 1998 ein Festakt auf dem Ohlsdorfer Friedhof, einem der ältesten Exkursionsziele, statt, bei dem acht besonders verdiente NABU-"Vogelführer" für ihr jahrzehntelanges Engagement geehrt wurden.
Mit der Beobachtungsstation Stresow (Elbtalaue, 2001) und einem Naturlehrpfad in den Kirchwerder Wiesen (2004) wurde die Öffentlichkeitsarbeit in zwei wichtigen Betreuungsgebieten des NABU verstärkt.
Ein Riesenerfolg war die "Stunde der Gartenvögel" im Mai 2004, die seither jährlich unter reger Beteiligung der Bevölkerung stattfindet. Am 25. Oktober 2004 gab es sogar einen Weltrekord zu feiern! Zum zehnjährigen Bestehen der "KORKampagne" entrollten rund 1000 Schulkinder die mit 10.400 Metern längste Korkenschlange der Welt.
2003 übernahm Bürgermeister Ole von Beust für ein Jahr die Schirmherrschaft für die Hamburger Störche, seit 2004 engagiert sich der Sänger und Fernsehmoderator Rüdiger Wolff für den NABU-Wappenvogel. Wolff schrieb sogar eigens eine Hymne an Meister Adebar.